Das Kino ist ein patriarchaler Raum. Die Studios/Produktionsfirmen werden von Männern dominiert und das Gros der ihnen entspringenden Filme hegt einen maskulinen Fokus. Natürlich gibt es Ausnahmen. Nur eben nicht genug. Ein Wertewandel ist trotz #MeToo-Skandalen und femininen Klassiker-Remakes – siehe „Ghostbusters (2016) und „Ocean’s 8“ (2018) – nicht in Sicht. Dabei mangelt es keineswegs an Beispielen, mit denen die Männerdomäne Hollywood in der Vergangenheit zumindest partiell versucht wurde zu erschüttern. Eines davon ist „Set It Off“, zweiter Spielfilm des ehemaligen Clip-Regisseurs F. Gary Gray („Straight Outta Compton“).
In dem wird zur Abwechslung, „Thelma & Louise“ (1991) hatte es vorgemacht, eine Gruppe Frauen als Outlaws inszeniert. Und wie bei Ridley Scotts moderner Blaupause vollzieht sich der Weg in die Kriminalität unfreiwillig. Der soziale Hintergrund erhält durch die Verankerung der Hauptfiguren im Milieu eines Problembezirks von Los Angeles zusätzliche Brisanz. Bevor die vier afroamerikanischen Anti-Heldinnen Stony (Will Smiths spätere Ehefrau Jada Pinkett, „Mr. Cool“), Frankie (Vivica A. Fox, „Kill Bill“), Tisean (Kimberly Elise, „John Q“) und Cleo (das Schauspieldebüt von Queen Latifah, „Chicago“) aber reihenweise Gesetze brechen, muss ihnen das System zunächst allen Grund dafür geben.
Das beginnt mit einem gewaltreich eskalierenden Banküberfall, der Frankie durch die Bekanntschaft eines Täters zum karrieristischen Verhängnis wird. Als Detective Strode (John C. McGinley, „Auf brennendem Eis“) einem weiteren Verantwortlichen nachstellt, wird Stonys unbeteiligter Bruder (Chaz Lamar Shepherd, „Luke Cage“) von Einsatzkräften erschossen. Dass die Hinterbliebene alles (wirklich alles!) dafür tat, um ihn ans College und damit aus dem sozialen Brennpunkt heraus zu bringen, wirkt dramaturgisch konstruiert. Für die Motivation der als Putzfrauen für den schmierigen Luther (Thomas Jefferson Byrd, „Bulworth“) arbeitenden Freundinnen erscheint er jedoch notwendig. Und so reift, getrieben von der branchenerfahrenen Frankie, die Idee, eine Bank auszurauben.
Wie weit dieser Schritt von der eigentlichen Lebensrealität der Frauen entfernt rangiert, zeigt sich insbesondere an der alleinerziehenden Tisean, der das Jugendamt droht, ihr Kind zum Schutz gesondert unterzubringen. Resoluter erscheint da schon die lesbische Cleo, die ungeachtet ihres Vorstrafenregisters wenig dafür tut, den anfänglichen Erfolg der gesetzlosen Aktivitäten zu verbergen. So braucht es nicht lange, ehe Strode das Quartett verdächtigt. Allerdings gewährt ihm das Skript genug moralische Integrität, um den Fahndungserfolg ohne weiteres Blutvergießen herbeiführen zu wollen. Mit der zunehmenden Verzweiflung der Frauen ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen.
Das sehenswert gespielte Thriller-Drama, das in einer ulkigen Sequenz den Klassiker „Der Pate“ (1972) zitiert, fährt neben Rapper Dr. Dre („Training Day“) auch Blair Underwood („Deep Impact“) als Stonys Love Interest Keith auf. Dass der ausgerechnet in jener Bank arbeitet, die als Kulisse des letzten Coups dienen soll, bleibt erzählerisch überflüssig. So führt der zwangsläufige Niedergang der räuberischen Damen über die größtmögliche Anhäufung von Konflikten – und packend gestalteten Actionszenen. Nur rütteln die offensichtlichen dramaturgischen Makel nicht an der Klasse von Ensemble und Inszenierung. Deren Emotionalisierung funktioniert bis heute prächtig – und macht nicht nur den Hit-Soundtrack, sondern auch den Film zum Klassiker. Zusätzlich zur Kinofassung wurde 2009 ein Director’s Cut veröffentlicht, der ob entschärfter Gewaltspitzen und überflüssiger Alternativ-Schnittfolgen aber kaum der Beschaffungsmühe lohnt.
Wertung: (7,5 / 10)