
Das südkoreanische Horror-Drama „Train to Busan“ sorgte 2016 für internationales Aufsehen. Die Vorgeschichte wurde im wenige Wochen später veröffentlichten Animationsfilm „Seoul Station“ umrissen. Das heißt, eigentlich ist die Erweiterung kein direktes Prequel, sondern ein ausschnitthafter Blick auf den Ausbruch der Zombie-Epidemie aus dem Blickwinkel verschiedener Figuren aus dem Bodensatz der Gesellschaft. Genau da liegt die Besonderheit der Geschichte – und mehr noch der Katalysator des ausweglosen Stimmungsbildes.
Am Bahnhof von Seoul sprechen zwei junge Männer über die Notwendigkeit der Stärkung des Sozialsystems. Als es jedoch gilt, einem vorbeischreitenden Obdachlosen mit klaffender Halswunde beizustehen, bleiben sie untätig. Wie der Rest der umstehenden Menschen. Bereits an dieser Ermangelung grundsätzlicher Empathie lässt sich erkennen, warum die kommende Katastrophe so leicht eskalieren kann. Dabei zeichnet Regisseur Sang-ho Yeon, der neben „Train to Busan“ auch die Fortsetzung „Peninsula“ (2020) schuf, ein sozial insgesamt wenig schmeichelhaftes Bild, das auch abseits der bald scharenweise umherrennenden – und wie einst bei George A. Romero potenziell allegorisch zu deutenden – Untoten ausreichend kritische Gegenwartsbezüge enthält.
Bei der Herleitung lässt sich Yeon Zeit, ohne den tatsächlichen Ursprung des Untergangs zu beleuchten. Ein Freund des wohnungslosen Verletzten versucht dabei vergeblich, Hilfe für ihn zu holen. Als er den Gefährten vermeintlich tot auffindet, der Körper kurz darauf jedoch spurlos verschwunden ist, beginnt der Alptraum. In dessen Aufziehen werden auch Ausreißerin Hye-sun und ihr nichtsnutziger Freund Ki-woong eingeführt. Die akute Geldknappheit bringt ihn zur Forderung, sie möge sich wieder prostituieren, um Geld für die Miete in einer Pension zu verdienen.
Was sie nicht ahnt: Ihr Vater, Suk-kyu, sucht nach ihr und paktiert im Angesicht des grassierenden Chaos mit Ki-woong, um sie zu finden. Allerdings hofft Hye-sun, im Bahnhof Zuflucht zu finden und muss dort bald vor den untoten Horden um ihr Leben rennen. So vollzieht sich der Überlebenskampf bis zur überraschenden Zusammenführung der Hauptfiguren in bekannten Bahnen. Oder besser: klischeehaften Bahnen. Denn die oft zögerlichen Reaktionen der Figuren nähren ausgelutschte Standards, die leicht hätten ausgespart werden können; so könnten auf der Flucht vor den Zombies ruhig auch mal Türen zugeschlagen werden, um die invasiven Menschenfresser auf Distanz zu halten.
Daneben wirken auch die Animationen der Körperbewegungen bisweilen etwas statisch. Wer über die Versäumnisse der Umsetzung (und insbesondere der Erzählung) hinwegsehen kann, erlebt immerhin die nötige Beklemmung. Und die wird durch den niederschmetternden Ausklang um die Wiedervereinigung von Hye-sun und Suk-kyu nachhaltig verstärkt. Ihren Beitrag leisten dazu gegen Ende naturgemäß auch Polizeikräfte und Militärs, die mehr darum bemüht scheinen, die überlebende Zivilbevölkerung in Schach zu halten als dem drohenden Untergang entgegenzutreten. Aber der Horror speist sich in „Seoul Station“ eben auch aus der allgegenwärtigen Gleichgültigkeit. Es ist dieser Fokus auf das soziale Moment, der den Film als Ergänzung zu „Train to Busan“ ungewöhnlich und letztlich auch sehenswert macht. Wenn auch mit Abstrichen.
Wertung: (6 / 10)