Selbstbedienung – Zu Hause (2019, Coldkings/D7)

Der Deutsch-Punk hat ein Problem. Ein Mangel an Aussagekraft ist es nicht; deren ideologischer Nährboden wird aktuell vorrangig von demagogischen Brandstiftern wie der AfD bereitet. Nein, der einst so wütende, zeternde und tosende musikalische Widerstand erweist sich gegenwärtig viel zu oft als zahnlos konformistisch. Statt angepisster In-die-Fresse-Attitüde setzt es rockiges Schunkel-Einerlei, mit dem sich vermehrt auch unpolitische Publikumskreise ködern lassen.

In diese Kategorie fällt auch das Schweizer Dreigestirn SELBSTBEDIENUNG, dessen vierter Langspieler „Zu Hause“ mehr Mainstream als Rinnstein transportiert. Natürlich muss das nicht zwingend schlecht sein – und führt auch hier zu mal ernsteren, mal heiteren Stücken, die insgesamt souverän ins Ohr dringen. Nach dem in Sachen Tempo und Rhythmus ansprechend abwechslungsreichen Auftakt, der neben dem düsteren Opener „Wolken“ und der hymnischen St.-Pauli-Huldigung „Hamburg“ auch das gemächliche Rassismus-Ressentiment „Niemals so wie ihr“ umfasst, verliert sich die Platte jedoch zunehmend in gefälliger Beliebigkeit.

Für positive Eindrücke sorgen im weiteren Verlauf zwar auch Beiträge wie der mit Gastsängerin veredelte Titeltrack oder „1914“. Ihnen gegenüber stehen mit dem erst die RAMONES zitierenden und dann textlich seltsam holprigen „Ohne euch“, den Feuerzeug-Schwenkern „Für immer“ und „Millionen Sterne“ oder auch „Wochenende“ Nummern ohne echten Nachhall. Die in „Spaß“ besungene grundlegende Freude als Triebfeder des Musizierens möchte SELBSTBEDIENUNG sicher niemand madig machen. Nur braucht der Deutsch-Punk statt rockiger Konfektionierung in DIE TOTEN HOSEN-Manier endlich wieder mehr Pfeffer im Arsch.  

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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