Die Renaissance des Slasherfilms heißt „Scream“. Mit der cleveren Hommage an „Halloween“ und Co. löste Kultregisseur Wes Craven („Nightmare on Elm Street“) einen neuen Boom kostengünstiger Mainstream-Produktionen aus, in denen die Barbies und Kens der MTV-Generation von wahnsinnigen Serienkillern massakriert wurden, mehr noch bis heute werden. Die ironische Verknüpfung von Klischees und Reminiszenzen, beruhend auf dem Skript von „Dawsons Creek“-Erfinder Kevin Williamson, schlug an den Kinokassen ein wie eine Bombe und machte die Kanadierin Neve Campbell („The Company“) zur ersten Scream-Queen der neunziger Jahre.
In der legendären Auftaktsequenz, in Sachen Spannungsaufbau und Zitierfreude ein Höhepunkt des gesamten Genres, wird „E.T.“-Herzchen Drew Barrymore – die Campbell nachhaltig die Schau stiehlt – von einem mysteriösen Anrufer via Telefon erst terrorisiert und samt ihrem Freund anschließend fachgerecht ausgeweidet. Mit der Konsequenz, dass das exemplarische US-Mittelstandskaff Woodsboro in Ausnahmezustand gerät. Während die Stadt von einer medialen Invasion und Fernsehreporterin Gale Weathers („Friends“-Star Courteney Cox) heimgesucht wird, gerät Sydney Prescott (Campbell), deren Mutter ein Jahr zuvor selbst Opfer eines grausamen Mordes wurde, ins Visier des maskierten Killers.
„Scream“ ist die bravouröse Jonglierung mit den Verhältnismäßigkeiten der kinematografischen Illusion zur Realität. Der Schnitt treibt ein augenzwinkerndes Spiel mit Erwartungshaltung und Gegenwartsbezügen, die an Teen-Serien wie „Beverly Hills 90210“ angelehnte Ästhetik der Bilder, die für zahlreiche Nachahmer zum eingebrannten Muss wurde, rückt den Streifen nah an der Rand der Parodie. Das unterstreicht auch die zum Teil überspitzte Figurenzeichnung, wobei David Arquette („Arac Attack“) als tapsiger Hilfssheriff Dewey alle Publikumssympathien auf seiner Seite weiß.
Einige der Jungstars im Film machten in der Folge Karriere: Matthew Lillard gab den Shaggy in zwei „Scooby Doo“-Filmen, Skeet Ulrich spielte in Ang Lees „Ride with the Devil“ und Rose McGowan ergatterte nach Anbandelung mit Schock-Rocker Marilyn Manson eine Hauptrolle in der TV-Reihe „Charmed“. Liev Schreiber („Der Manchurian Kandidat“), der als vermeintlicher Mörder von Sydneys Mutter für die Folgeteile warmgehalten wird, wechselte mit „Alles ist erleuchtet“ unlängst gar ins Regiefach.
Bis zum medial klug vorbereiteten Welterfolg des „Blair Witch Project“ war „Scream“ der ertragreichste Horrorfilm aller Zeiten. Den kommerziellen Erfolg verdankt der von Genrekenner Craven straff gespannte Schocker der meisterlichen Gratwanderung zwischen blutiger Standardkost und deren ironischer Brechung. Bei beständiger Atmosphäre und starkem Finale – bei dem nicht nur die Täterzahl für Überraschungen sorgt, sondern die übliche Motivlage des Blutbades überdies ad absurdum geführt wird – ist der in allen Belangen überzeugende Streifen ein auffällig homogener Vertreter seiner Zunft. Und davon zeigte sich selbst ein Großteil der internationalen Kritiker beeindruckt.
Wertung: (8 / 10)