Schussangst (D 2003)

schussangstVom Kaff in die Großstadt. Für Lukas (Fabian Hinrichs, „Neandertal“) ein konsequenter Schritt. Als Zivildienstleistender fährt er Essen aus, für die alternde Hure, den Kriegsversehrten mit der Augenklappe und andere krause Gestalten, die das Leben im Stich ließ. Die kleine Wohnung teilt er mit Kakerlaken, als Ausgleich dient das Rudern. Sein Leben ändert sich, als ihm die geheimnisvolle Isabella (Lavinia Wilson, „Allein“) in der Bahn einen Hilferuf zusteckt. Er freundet sich mit ihr an und fasst, als er den Grund ihres Kummers entblößt, einen fatalen Entschluss.

Dito Tsintsadzes („Der Mann von der Botschaft“) „Schussangst“ ist ein unbequemer Film. Urbane Anonymität, Frustration, Seelenbrand. Die Isolation, die Einsamkeit entfremden die Menschen. Auch Lukas. Die Schwere aber ist nicht anhaltend, ja nicht einmal prägender Teil der Inszenierung. Mit seinen übersteigerten Figuren wirkt das Szenario, basierend auf dem Roman von Dirk Kurbjuweit („Die Einsamkeit der Krokodile“), der auch das Drehbuch schrieb, betont surreal. Dennoch bleiben die Charaktere in ihrem Wesen stets glaubwürdig. Das beeindruckt.

Lukas rauscht durchs Leben – und das Leben unmittelbar an ihm vorbei. Freunde hat er keine. Da ist nur Isabella, die sich ihm bei aller Nähe aber verschließt. Sie bleibt ein Mysterium, deren Abgrund sich ihm mehr zufällig erschließt. Plötzlich hat er eine Mission und wird darüber zur tickenden Zeitbombe. Er besorgt sich ein Gewehr, mit Schalldämpfer, für die Wildenten wie er sagt. Das Ziel aber ist menschlich, ein Motivations- und Kampfsportlehrer, der bei Vorträgen zum Sieg über die Angst fordert, dass all das, was dem Glück im Wege steht, ausgemerzt werden soll.

Der Zivi, der den Dienst an der Waffe verweigerte, wird seinen Rat buchstäblich auffassen und ihn paradoxerweise befolgen. Erst um Isabellas, dann des eigenen Friedens willen. Aber es kommt anders. Am Ende fällt der Schuss und es endet ein Film, der in unverkrampfter Offenheit die Wunden des sozialen Miteinanders aufdeckt. Ob nun Großstadt oder nicht, die kleinen Tragödien bleiben nachvollziehbar. Auch durch Nebenakteure wie Axel Prahl („Du bist nicht allein“) und Christoph Waltz („Zwei Tage Hoffnung“). Stark gespielt und mit Mut zur Andersartigkeit – ein rundum gelungenes Drama.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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