Zur Jahrtausendwende veröffentlichten SAMIAM mit „Astray“ einen wahren Geniestreich. Abermals ist es das einnehmende Gemisch aus distanziert emotionaler Beobachtungsgabe und melodiöser Erhabenheit, die ausnahmslos für Begeisterung sorgt. Einmal mehr sind es hymnische Refrains und die mitreißende Dynamik, die den zwölf Stücken mit vor Staunen geöffnetem Mund lauschen lassen. Als konsequente Weiterentwicklung des Vorgängers „You Are Freaking Me Out“ bedeutet „Astray“ den Feinschliff zur Makellosigkeit.
Musikalisch noch eingängiger und mit erhöhter Wertschätzung säuselnder Hintergrundgesänge durchdringen die zuvor angedeuteten Popinfluenzen vermehrt die tempoorientierte Grundierung des Punk. Doch bedeutet das freilich nicht die Abkehr vom melancholischen Geschwindigkeitsrausch. Dafür bürgt allein das treibende „Wisconsin“, in welchem Sänger Jason seine Stimme ungewohnt erhebt. Jedoch wäre eine vortreffliche Ballade wie „Mud Hill“ ohne die endgültige Eingliederung seichterer Strukturen kaum möglich.
Jeder Song bedingt den nächsten, jeder Text ergänzt das Bild aufgewühlter Individuen. Musikalisch abwechslungsreicher denn je kreieren SAMIAM bis zum markanten Schlusspunkt „Why Do We“ einen Kosmos reflexiver Traurigkeit. Gewohntermaßen verzichten sie dabei auf selbstmitleidige Anflüge und gewähren dem hoffnungsvollen Blick nach vorn, beispielsweise bei „Mexico“ oder „Dull“, den Vortritt. „Astray“ ist der Zenit einer Band, die sich ungeachtet von Modeerscheinungen und kommerziellen Trends fortwährend um eine Weiterentwicklung des eigenen Kerns bemüht. Ihr sechstes Album gibt ihnen ohne Einschränkung Recht. Ein zeitloses Meisterwerk wie gleichsam ein Klassiker des Indie-Rock.
Wertung: (10 / 10)