S.F.W. – So Fucking What (USA 1994)

„Hi, my name’s Rick Forsythe. I live in Silver Pond with my parents George and Edna Forsythe, and my sister Suzanne. I’m president of the debate team, and captain of my baseball team over at Silver Pond High. I have a dog named Rusty, and my hobbies include coin collecting and dry-fucking cheerleaders.“ – Cliffs Vorstellung zu Beginn der Geiselnahme

Literaturverfilmungen gehen mit dem ihnen zugrundeliegenden Quellenmaterial oft frei um. Bücher wirken nicht selten wie lose Ideengeber, um Drehbuchautoren die Transition von der Seite auf die Leinwand zu erleichtern. Dabei gibt es Fälle, in denen der Vergleich zwischen Buch und Film abseits bewährter Enttäuschung tatsächlich lohnt. „S.F.W. – So Fucking What“ ist so ein Beispiel. Dass beide Varianten relativ unbekannt sind, mindert den Reiz nicht. Allerdings – der Titel nimmt es vorweg – sollte man Schimpfwörtern und Fluchtiraden aufgeschlossen gegenüberstehen.

Der Anti-Held der Geschichte ist Cliff Spab (im Film gespielt von Stephen Dorff, „Backbeat“), ein junger White-Trash-Loser mit großer Fresse, der mit vier Schicksalsgenoss*innen von einer Gruppe Terroristen für 36 Tage in einem Supermarkt als Geisel festgehalten wird. Das Motiv der „Split Image“ genannten Organisation, die Fernsehsender zwingt, das im Markt gedrehte Material auszustrahlen, wird nur in Andrew Wellmans Roman erörtert (es geht um die totale nukleare Abrüstung). Dass sie es ernst meinen, wird über den Tod zweier Geiseln (und in der Vorlage mehrerer Polizisten) verdeutlicht, wobei das Schicksal von Soon-Tek Ohs („Der letzte Countdown“) Milton Morris in der Kinoadaption ungeklärt bleibt.

Die Phase im Supermarkt wird in beiden Versionen lediglich in Rückblicken beleuchtet. In der Hauptsache geht es um die Zeit nach dem gewaltreichen Ende der Festsetzung, die neben Cliff nur die aus gutem Hause stammende Wendy Pfister (Oscar-Preisträgerin Reese Witherspoon, „Walk the Line“) überlebt. In der Folge wird Cliff zum Helden hochgejubelt – und das nicht nur im Detroiter Vorort Madison Heights, in dem es für Heranwachsende sonst eigentlich wenig zu erleben gibt (siehe dazu den frühen Auftritt des späteren „Spider-Man“-Stars Tobey Maguire als Kiffer). Eine besondere Faszination geht von Cliff dabei wegen seiner Scheißegal-Haltung und seinem Leitspruch aus: So Fucking What?

„The only thing I’m sure of is that everything’s unsure.“ – Morrow

Während Wellman eine Story von unfreiwilligem Personenkult und tristem Vorstadtleben erzählt, holen Regisseur Jefery Levy („The Key“) und Drehbuchautor Danny Rubin („Und täglich grüßt das Murmeltier“) zu einer galligen Medien-Satire aus, in der sich alle Welt plötzlich um Cliff und Wendy reißt – und an ihrem Ruhm verdienen möchte. So wie Cliffs Eltern. Oder Monica (Joey Lauren Adams, „Chasing Amy“), die Schwester seines besten Freundes Joe (Jack Noseworthy, „Event Horizon“), der das Geiseldrama ebenfalls nicht überlebt hat. Oder Morrow (Jake Busey, „Starship Troopers“), ein enger Freund, der seine Anwaltsschwester (Pamela Gidley, „Twin Peaks“) ins Spiel bringt, um in Cliffs Namen Klagen gegen alles und jeden einzureichen.  

Allerdings hat Cliff keine Lust, sich für die Interessen anderer vor irgendwelche Karren spannen zu lassen und taucht einfach unter. Als er nach dem Selbstmord eines Unbekannten für tot erklärt wird, zieht es ihn dann aber doch ins Rampenlicht. Wenn auch nach eigenen Regeln. Dabei verstärkt der Film das Bild der Fortsetzung der Geiselnahme – nur eben durch die Medien und nicht mehr durch die Terroristen. Das aber auch nur so lange, bis das öffentliche Interesse auf das nächste Individuum übergeht. Dahingehend besteht der größte Unterschied zwischen Film und Buch. Während Wellman Cliffs Schicksal erneut über eine Gewalttat besiegelt, setzt Levy die Mechanismen medialer Ausschlachtung einfach zurück und lässt die Medien die nächste metaphorische Sau durch Dorf treiben.

Von den Unterschieden abgesehen transportiert der Film – und erst recht das Buch – das Gefühl des Verlorenseins im Teenageralter noch immer sehr gut. Dabei spielt keine Rolle, dass Cliff aufgrund von Dorffs Alter in der Verfilmung bereits 20 ist – und damit drei Jahre älter als in der Vorlage. Auf dem Rücken der Mechanismen massenmedial konstruierter Berühmtheit knüpft Levy an die Problemhorizonte der MTV-Generation (samt starkem Alternative- und Metal-Soundtrack) an. Damit ist zwangsläufig eine gewisse Überholung verbunden. Gerade weil die Geschichte vor der Zeit von Social Media und allgegenwärtiger Handy-Nutzung spielt. Und geschrieben wurde. Dabei ist die Buchvorlage sogar in den 1980ern angesiedelt. Empfehlenswert bleibt „S.F.W. – So Fucking What“ in beiden Versionen – und lädt gerade durch die relative Unbekanntheit definitiv zur Entdeckung ein.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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