Im Herbst seiner Karriere stieg Liam Neeson zum Actionstar auf. Die Luc Besson-Produktion „Taken – 96 Hours“ machte den etablierten Charakterkopf zum Zugpferd markiger Radaustreifen und handfester Thriller. Vergleiche zu Charles Bronson, der auf Leinwand und Mattscheibe noch Leben auslöschte, als er kaum noch die Pistolenattrappe halten konnte, sind kaum zu leugnen. Diesem Geist entspricht auch „Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones“, in dem Neeson allerdings wieder mehr spielt und weniger schießt. In sein Rollenrepertoire fügt sich Scott Franks („Die Regeln der Gewalt“) düstere, auf dem Roman von Lawrence Block basierende Mördersuche trotzdem reibungslos.
Das zeigt bereits der ins Jahr 1991 zurückblickende Auftakt. Neeson ist der New Yorker Polizist Matthew Scutter, der mit Fu Manchu-Gesichtsbehaarung und Lottermantel in einer Bar zum Frühstück Schnaps serviert bekommt. Als drei junge Männer den Laden überfallen und den Inhaber erschießen, eilt ihnen der betrunkene Scutter nach und knallt sie nieder. Dass dabei ein unbeteiligtes Mädchen zu Schaden kommt, wird im Film erst spät erläutert. Der deutsche Covertext hingegen nimmt dies nicht unerhebliche Detail gleich vorweg. Acht Jahre später, kurz vor dem Millennium, ist Scutter nüchtern, lebt ein einfaches, zurückgezogenes Leben und verdingt sich als Privatschnüffler.
Als ihn Drogendealer Kenny Kristo (erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Dan Stevens, „Downton Abbey“) engagiert, um die Mörder seiner Frau zu finden, wird der Ex-Cop in einen abgründigen Strudel aus Folter und Gewalt gezogen. Um Lösegeld zu erpressen, wurde Kennys Gattin entführt und vergewaltigt. Nachdem er 400.000 Dollar gezahlt hatte, fand er ihre in Plastikbeutel verpackte und in Dutzende Einzelteile zerlegte Leiche. Bei seinen Ermittlungen stößt Scutter auf das Duo Ray (David Harbour, „The Equalizer“) und Albert (Adam David Thompson), vermeintliche Beamte der Drogenbekämpfungsbehörde DEA, auf deren Konto mehrere gleichsam grausame Erpressungen gehen.
In grauen Bildern und tristen Blicken auf die Metropole New York erzeugt der renommierte Drehbuchautor (u.a. bei „Minority Report“ und „Wolverine: Weg des Kriegers“) Scott Frank eine unbequeme Stimmung. Die wird durch das skrupellos brutale und lustvoll sadistische Vorgehen des mörderischen Duos noch verstärkt. Hauptdarsteller Liam Neeson macht – wie auch die übrige Besetzung – eine überzeugende Figur. In den markigen Modus schaltet er erst, als Ray und Albert die Tochter von Drogendealer Yuri (Sebastian Roché, „The Originals“) verschleppen. Der Spannungsbogen der absehbar blutig endenden Geschichte jedoch ist nicht durchgängig, weil sich durch Scutters väterlich geprägte Beziehung zum Straßenjungen TJ (Brian „Astro“ Bradley, „Red Band Society“) Längen einschleichen. Trotz der dezenten Dehnung bleibt ein sehenswerter Thriller in betont düsterer Akzentuierung.
Wertung: (6,5 / 10)