„Es ist nie zu spät, um noch mal gedemütigt zu werden.“ – Pablo
Ungeachtet seines Titels hat „Rojo Sangre“ nichts mit der ebenfalls spanischen Produktion „Mucha Sangre“ zu tun. Allerdings teilen beide Filme die Mitwirkung von Paul Naschy („Rottweiler“), dem großen Geist des iberischen Horrorfilms. Einen solchen, namentlich Pablo Threnet, mimt Naschy auch in „Rojo Sangre“. Dereinst war Pablo ein gefeierter Bühnen- und Leinwandschauspieler, doch ist der Glanz vergangener Tage längst verblasst. Die Generation junger Filmemacher kennt seinen Namen nicht, die Alten haben ihn schlicht vergessen. Beruflich gescheitert, liegt auch sein Privatleben in Trümmern. Die Tochter wurde ermordet, die Frau hat ihn verlassen. Bevor ihn auch sein Agent im Stich lässt, vermittelt er Pablo an einen dekadenten Edel-Puff, wo ihn ein Engagement als lebende Statue erwartet. Angestachelt von seinem neuem Arbeitgeber, dem mysteriösen Reficul (Miguel del Arco, „His Master’s Voice“), übermannt Pablo bald der Hass und lässt ihn grausame Rache an den Marionetten des Filmgeschäfts üben.
Der Auftakt gibt die Richtung vor für eine glanzvolle Performance des Paul Naschy. Seine vier Jahrzehnte und mehr als 80 Filmrollen überbrückende Laufbahn reflektiert die Situation des Pablo Threnet vorzüglich. Zynischer Humor ist ständiger Wegbegleiter der Hauptfigur, wird jedoch selten so offen zur Schau gestellt wie zu Beginn, wenn Pablo einem Kollegen die religiöse Erfahrung von anal eingeführten Mäusen erläutert. „Rojo Sangre“ ist keine Komödie, auch keine Splatter-Farce. Der Grundton ist gallig, das Filmgeschäft ein Sumpf voll verlogener Bastarde. In dieser schwarzhumorig pessimistischen Übersteigerung gelingt Naschy der Spagat zwischen Mensch und Monstrum. Beizeiten in den Kostümen berühmter Schlächter zur Tat schreitend, setzen die Macher Naschy und seinem karrieristischen Gesamtwerk auf diesem Wege ein würdiges Denkmal.
„Rojo Sangre“ setzt nicht auf Tempo oder eine Fülle blutiger Effekte, sondern in erster Linie auf Stimmung. Die gute Regie garantiert eine konstante Atmosphäre, geschaffen durch kunstvolle Überblendungen, Rotfilter und den exemplarischen Kreuzschnitt bei Pablos ersten Tötungsdelikten. Gegen Ende allerdings verstrickt sich die lose an Goethes „Faust“ angelehnte Schauermär in okkulte Wendungen und lässt Raum für Vorhersehbarkeiten. Die wahre Identität des gönnerhaften Reficul ist schnell entblößt, das kryptische Finale taucht ein in die fantastische Welt der „Twilight Zone“. Trotzdem bleibt der hübsch altmodische Streifen sehenswert, in erster Linie wegen Paul Naschy. Inwieweit dessen Darbietung eigene Erfahrungen verarbeitet, bleibt ungewiss. Das von ihm verfasste Drehbuch lässt den Schluss einer späten Abrechnung mit der Filmindustrie jedenfalls zu. Dem ewig präsenten Darsteller dürfte im Gegensatz zu Pablo Threnet ein Schicksal im Jammertal der Vergessenheit erspart bleiben. In Anbetracht der drastischen Reaktionen seines filmischen Alter Egos ist das wohl auch das Beste.
Wertung: (6 / 10)