Refused – The Shape of Punk to Come: A Chimerical Bombination in 12 Bursts (1998, Burning Heart Records/Epitaph Records)

refused-the-shape-of-punk-to-comeAls REFUSED 1992 ihr musikalisches Wirken begannen, bedienten sie die alte Schule des Hardcore, coverten die GORILLA BISCUITS und wurden bald darauf von Burning Heart Records unter Vertrag genommen. Nur sechs Jahre, zwei Alben sowie diverse EPs später legten sie mit „The Shape of Punk to Come: A Chimerical Bombination in 12 Bursts“ ihr Meisterstück vor. Der Vorgänger „Songs to Fan the Flames of Discontent“ hatte ihre Ausnahmeklasse eindrücklich belegt. Doch was die Schweden diesem wütenden, infernalischen und eigentümlichen Sprengsatz folgen ließen, war nicht weniger als die wegweisende Überwindung sämtlicher Genre-Grenzen.

Ohne Scheuklappen und ohne stilistische Restriktionen zerlegten REFUSED den Hardcore in seine Einzelteile und setzten ihn unter bis dahin unbekannten Vorzeichen wieder zusammen. Was „Fight Club“ für das moderne Hollywood-Kino, ist „The Shape of Punk to Come“ für den ungezügelt lärmenden musikalischen Untergrund. Die Platte ist pure Anomie, ein politisch aufrüttelndes Manifest des Widerstands gegen bestehende Ordnungssysteme – seien sie nun politischer oder künstlerischer Natur. Einen Song wie „Liberation Frequency“ hätte man bis zu diesem Zeitpunkt niemals auf einem Hardcore-Album vermutet. REFUSED aber nehmen unverblümt THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY, das Folgeprojekt von Sänger Dennis Lyxzén, vorweg und fahren lässigen Rock ´n Roll mit Jazz-Einflüssen auf.

Dem gegenüber stehen wütende und wuchtige Brecher, bei denen sie ihr „Refused Party Program“ als Abgesang auf den Kapitalismus proklamieren oder mit „Deadly Rhythm“ einen wahrhaft tödlichen Orkan – mit fiebrigen Jazz-Abstechern – entfesseln. Der Experimentierfreude sind keine Grenzen gesetzt. Als Einstimmung auf den später kommerziell hinreichend ausgeschlachteten Hit „New Noise“ bietet „Bruitist Pome #5“ eine lockere Elektronika-Exkursion mit Dub-Flair. Düster rockig wird es beim „Protest Song ’68“, der sich sperrig und unbequem gibt und dabei doch so verdammt spannend daherkommt. Als weiterer Beleg kann auch das instrumentale „Tannhäuser / Derivé“ bemüht werden, das mit Highlander-Folklore beginnt und in französischen Chanson mündet.

„The Shape of Punk to Come“ ist die viel zitierte Wundertüte und lässt ein ums andere Mal den Atem stocken. Mit Punk hat das nur ideologisch zu tun, musikalisch bestenfalls beim fast lässigen „Summerholidays vs. Punkroutine“. Den Abgesang auf die eigene Brillanz steuern sie gleich selbst bei, mit dem groovenden „Refused Are Fucking Dead“. Die Essenz dieser in jeder Hinsicht denkwürdigen Platte geben REFUSED im Titelstück selbst vortrefflich wieder: „Get lost on a crusade, jump on this soul train, destination unknown“. Wohin die Reise hier geht, verblüfft, erstaunt und packt zu jeder Sekunde. Noch bevor er begann, der verdammte Hype, lösten sich REFUSED auf. Sie verstanden es als Sargnagel der Pop-Musik. Auf ging diese Rechnung nicht. Ein Trost ist es dennoch, dass sie vor ihrem (vorläufigen) Abschied eines der wichtigsten Stromgitarrenalben überhaupt vorgelegt hatten.

Wertung: 10 out of 10 stars (10 / 10)

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