Zum Anbeginn des neuen Jahrtausends stand der Hardcore an einem Wendepunkt. Für die einen ging es weiter nach Gangart der alten Schule, für die anderen bedeutete die Annäherung an den Indie-Rock die Erschließung kreativen Neulands. Im gleichen Jahr, in dem BOYSETSFIRE mit ihrem Geniestreich „After the Eulogy“ das Genre aufrüttelten, veröffentlichten deren Bostoner Labelkollegen REACH THE SKY ihr zweites Album über Victory Records. „Friends, Lies and the End of the World“, der Nachfolger zur straffen Straight-Edge-Scheibe „So Far From Home”, offenbarte deutlich emotionalere Seiten, ohne dabei je das spätere Trendgespenst des Emo-Core zu nähren.
Zwar wird der Hardcore als beständigstes Element durch tragende Melodien und starke Refrains ergänzt. Davon abgesehen positionierten sich REACH THE SKY mit ihrem starken Vermächtnis – die Band löste sich in der Folgezeit auf – spürbar zwischen den Stühlen von Treueschwur an die Größen des Old School und zeitgemäß rockigen Influenzen. Vergleiche zu den ähnlich schnörkellos melodiösen Hardcore zelebrierenden VISION sind kaum von der Hand zu weisen. Der Opener „Let Us Be Damned“ legt ein ordentliches Tempo vor und zementiert mit dem melancholischen Folgestück „This Sadness Alone“ – einem der besten Songs der Platte – den Grundstein für ein weit von der Überproduktion späterer Victory-Erzeugnisse entferntes Dutzend scheppernder Hits, welche in einer guten halben Stunde angenehm schnoddrige Atmosphäre erschaffen.
Der Vergleich zu VISION manifestiert sich nicht nur in der standesgemäßen Instrumentierung, sondern auch über den launig unmelodisch vorgetragenen Schreigesang. Alle Trümpfe werden bei „Friends, Lies and the End of the World“ allerdings nicht ausgespielt. Ausgefeiltere Hintergrundgesänge beispielsweise hätten das Hitpotential mancher Songs noch einmal zu potenzieren verstanden. So reicht es zum überzeugenden Überdurchschnitt, weil REACH THE SKY sich weiterentwickelten, ohne dafür frisch beackerte Trends zu bedienen. Und weil die Tracks zumeist ein Ende finden, bevor sich einschlägige Versatzstücke in einer kesselnden Endlosschleife wiederholen, ist die Scheibe auch nach sechs Jahren noch für verdiente Ehrenrunden auf dem heimischen Beschallungssektor gut.
Wertung: (7 / 10)