„We came here to rock! Single mothers to the front! Dead-beat dads to the rear!” – ‘Tartuffe’
Auf PROPAGANDHI kann man sich verlassen. Immer. An dieser ehernen Regel hat auch das etwas sperrige Sechstwerk „Failed States“ nichts geändert. Denn mit dem Nachfolger „Victory Lap“ sind die Kanadier wieder in der Spur. Zumindest in Sachen Eingängigkeit. Auch der jüngste Streich der politisch nie um klare Worte verlegenen Hardcore-Punks ist komplex und – mit Blick auf die kreativen Einflüsse – vielseitig geraten. Die Band hat sich im Laufe der Jahre mehr und mehr Metal-lastigem Gitarrenspiel genähert und kokettiert, neben progressiv gefärbtem Rock, bisweilen gar mit Versatzstücken des Thrash.
Nachdem der Vierer (früher auch mal Dreier) das Korsett des klassischen 90’s-Melo-Cores mit „Today‘s Empires, Tomorrow‘s Ashes“ (2001) abgestreift hatte, konnte von schematischen Songstrukturen noch weniger die Rede sein als in der (bereits unbestreitbar famosen) bandeigenen Gründerzeit. So wurde die Ausbeute offensichtlicher Hits spärlicher, während der Status immer weiter Richtung Ausnahmeerscheinung tendierte. Auf diesen zahlt auch ihr zweites über Epitaph herausgebrachtes Album ein. Die unverzüglich zündenden Beiträge wurden mit dem Titeltrack, in dem Sänger Chris Hannah das direkte Zwiegespräch mit Gott sucht, und „Failed Imagineer“ bereits vorab präsentiert.
Zu ihnen gesellen sich wuchtig-melodische Brecher wie „Comply/Resist“ oder „Letter to a Young Anus“. Die Spielfreude erweist sich als ungebrochen hoch, wenn Genre-Grenzen aufgeweicht und Erwartungshaltungen untergraben werden. Denn so sehr man auch glaubt, vorhersehen zu können, was als nächstes kommt, PROPAGANDHI wählen sympathisch oft einen anderen Weg. Auf „Victory Lap“ zeigt sich das vor allem im Schlussdrittel: „Negredo“, „In Flagrante Delicto“, „Tartuffe“ und das von Tiergeräuschen eingeleitete „Adventures in Zoochosis“ sind so gegen den Strich schematischer (Indie-)Unterhaltungsmusik gebürstet, dass sie beim ersten Durchlauf kaum erfasst werden können. Eine gewisse Zeit braucht also auch diese Platte, um ihre Reize voll auszuspielen. Missen möchte sie danach jedoch keinesfalls mehr.
Wertung: (8 / 10)