Der Volksmund sagt, Ordnung sei das halbe Leben. Auf Universitätsprofessor Jasper Tempest (Ben Miller, „Death in Paradise“) trifft das nicht zu. Ohne Struktur geriete sein Leben völlig aus den Fugen. Tempest leidet an einer Zwangsstörung, die ihn an feste Rituale bindet – so stülpt er etwa über die akribisch gewaschenen Hände Kunststoffhandschuhe –, seiner Brillanz darüber aber keinen Abbruch beschert. Nicht umsonst lehrt er an der Universität Cambridge im Fachbereich Forensische Kriminologie. Mit „echter“ Polizeiarbeit hat das wenig zu tun. Das ändert sich, als Polizei-Novizin Lisa Donckers (Emma Naomi, „Bridgerton“) ihren alten Dozenten konsultiert, um seine Unterstützung bei der Profilerstellung des Täters zu erbitten.
Lisas Vorgesetzte, Christina Brandt (Juliet Aubrey, „Primeval“), teilt eine gemeinsame (amouröse) Vergangenheit mit dem genialen Sonderling. Daher scheint sie nicht allein aus beruflicher Warte froh, ihn bald auch offiziell als Teil des Teams vorstellen zu dürfen. Dass dies nicht allen passt, zeigt sich vorrangig an Veteran Paul (Andy Gathergood, „Hatfields & McCoys“), der durch den Verlust eines Kindes zum Alkoholismus neigt und vom taktlosen Tempest wiederholt vorgeführt wird. Zu Christines Ermittlungseinheit gehört noch Dan (Barney White, „Instrument of War“), der Gefühle für Kollegin Lisa hegt, denen sie sich aber nur widerwillig hingibt.
Die sechs Kriminalfälle der Auftaktstaffel, die neben der erwähnten (Serien-)Vergewaltigung auch Mord, Geiselnahme und Entführung auffahren, rücken angesichts der persönlichen Verstrickungen beinahe in den Hintergrund. Maßgeblichen Anteil daran nimmt auch Tempests belastendes Verhältnis zu seiner aufdringlichen Mutter Adelaide (Frances de la Tour, „Enola Holmes“), die sich u. a. vehement dagegen ausspricht, dass er das eigentlich für den Verkauf vorgesehene Elternhaus vom Markt nimmt und selbst bezieht. Die daran geketteten Kindheitserinnerungen sind traumatischer Natur, immerhin war Vater Tempest ein aufbrausender Alkoholiker, der sich selbst das Leben nahm. Zumindest scheint es so.
Selbst wenn „Professor T“ im Detail von Charakteren wie gleichwohl Fällen unterschwellige Bitterkeit offenbart, bleibt der Erzählstil, „Monk“ (2002 – 2009) und „Dr. House“ (2004 – 2012) lassen grüßen, in der Hauptsache locker. Dazu tragen skurrile Erzählelemente bei, etwa wenn Tempests Gedanken auch für die Zuschauenden über eine Cheerleader-Revue oder den sprechenden Fisch Walter offenbar werden. Dahingehend folgt der britische Ableger – anders als die deutsche Variante (2017) mit Matthias Matschke in der Hauptrolle – mehr dem gleichnamigen belgischen Original, das es zwischen 2015 und 2018 auf 39 Episoden brachte, und punktet damit gleich auf mehreren Ebenen.
Der Cast, zu dem im erweiterten Kreis auch Sarah Woodward („Queens of Mystery“) als Tempests neugierige Sekretärin Ingrid und Douglas Reith („Downton Abbey“) als Universitäts-Dekan zählen, flankiert die Marotten des Professors souverän bis spielfreudig. Dass sich Tempest bei der Ermittlungsarbeit buchstäblich nicht die Hände schmutzig machen will, lässt ihn nicht allein arroganter, sondern auch stets überlegener erscheinen. Damit bietet die gänzlich vom belgischen Regisseur Dries Vos („Suspect“) gedrehte Staffel souveräne Krimi-Unterhaltung, die mit dem abschließenden Rückblick in Tempests Vergangenheit Potential für weitergehende Ambivalenz eröffnet. Dem Zielpublikum sollte das Fortsetzungsanker genug sein.
Wertung: (7 / 10)