Schwein muss man haben! Den alternden Landeigner und Hobbyjäger Eric (Fred Ulysse, „Vidocq“) dürfte der Volksmund damit eher spöttisch treffen. Mit seinem ältesten Sohn David (Joseph Malerba, „13 Tzameti“) bewohnt er ein rurales Grundstück, das, wie der Lebensstandard der Verwandtschaft, durch die familiäre Düngemittelfabrik getragen wird. Für die ist der jüngere Sohn Nicolas (Francois Levantal, „Die purpurnen Flüsse“) verantwortlich, der mit Tochter Claire (Bérénice Bejo, „The Artist“) an konkurrenzfähigen Optimierungen der bestehenden chemischen Formeln arbeitet.
Claire ist mit dem jungen Landarzt Nathan (Grégoire Colin, „Liebe das Leben“) liiert, von dem sie ein Kind erwartet und der sie, einem lukrativen Jobangebot folgend, mit in die Großstadt nehmen möchte. Aber Claire sträubt sich. Die dominant über sie verfügende Familie geht ihr über alles. Vor allem jetzt, wo Nicolas sie so dringend braucht. Dass der Chemiebetrieb ein dunkles Geheimnis birgt, daran lässt Regisseur und Co-Autor Antoine Blossier keinen Zweifel. Die Verseuchung des Grundwassers und die Folgen für Mensch und Tier sind schnell angedeutet. Vor der Erhärtung steht allerdings das Schwein.
Im Elektrozaun, der das Grundstück vom angrenzenden Wald trennt, entdeckt David verendete Hirsche – und einen Hauer im toten Fleisch, der auf ein fünf Zentner schweres Wildschwein schließen lässt. Mit Eric und Nicolas begibt er sich auf die Jagd. Auch Nathan begleitet sie, um mit der Herrschaft des Vaters über Claire zu brechen. In der Tiefe des Waldes stoßen die Männer auf einen kontaminierten See, eine Vielzahl verendeter Tiere und zu ihrem Entsetzen auf genetisch veränderte Schweine, die den Spieß umdrehen und die Jäger zu Gejagten machen.
Ohne Schnörkel und mit trefflichem Gespür für spannungsgeladene Atmosphäre treibt Blossier den simpel gestrickten Plot einer kalkulierten Eskalation entgegen. Neben den Wildschweinen sorgt auch die wachsende Zwietracht unter den Männern für Lebensgefahr. Die Nerven liegen blank, bald gibt es den ersten Toten. Die formale Stärke offenbart sich, neben dem Zusammenwirken von Musik und Kamera, in der Inszenierung der tierischen Gefahr. Die bleibt meist unsichtbar und kommt selbst in der direkten Konfrontation ohne das zeitgemäße Zutun computergenerierter Effekte aus.
Getragen wird „Prey“ aber vor allem durch die Darsteller. Abseits der offenkundigen Identifikationsfigur Nathan bleibt nur Härte und Unerbittlichkeit. So funktioniert der Film auf verschiedenen Ebenen und schließt ein Sicherheitsgefühl kategorisch aus. Die Szenarien von Angriff und Flucht buhlen zwar nicht um Originalitätspreise, der punktiert zum garstigen Familiendrama ausartende Öko-Horror bleibt den ewig gleichförmigen US-Videoproduktionen des ´Revenge of Nature´-Sektors aber auch ohne echte erzählerische Neuerungen haushoch überlegen.
Wertung: (6,5 / 10)