Pieces – Stunden des Wahnsinns (E/PR 1982)

piecesWas bleibt ist eine Tagline: „You don’t have to go to Texas for a chainsaw massacre.“ Da ist was dran. Manchmal reicht nämlich schon der Blick nach Spanien. Dort drehte Exploitation-Spezi Juan Piquer Simón („Slugs“) 1982 den bis heute berüchtigten Slasher-Nonsens „Pieces“, für dessen US-Kinoauswertung einleitender Werbespruch erdacht wurde. Allerdings mit dem Zusatz: „It’s exactly what you think it is.“ Doch genau da liegt der Irrtum. Denn mit einem Film wie diesem konnte wahrlich niemand rechnen. Recht behält der Spruch in Sachen Gewalt. Denn im Gegensatz zum „Texas Chainsaw Massacre“, in dem körperliches Traktat und Kettensägeneinsatz in der Hauptsache angedeutet blieben, geht Simón ans Eingemachte. Dabei werden munter Gliedmaßen entfernt und Leiber geöffnet.

Und das bereits zum kuriosen Auftakt, der ins Jahr 1942 blickt und den kleinen Timmy beim Puzzlen zeigt. Der Vater ist im Krieg gefallen, die Mutter begegnet dem Motiv des Legespiels – eine nackte Frau – mit aufbrausendem Charakter. Also streckt er sie mit ein paar Axthieben blutig nieder und zerlegt die Erzeugerin mit der Säge in handliche Teile. Als die Polizei den zerstückelten Leichnam findet, spielt der Junge das Opfer. Und während sich der Zuschauer noch fragt, wie sich ein Tastentelefon in die Weltkriegszeit verirrt hat, überspringt der Film 40 Jahre. Wie Timmy aussieht, bleibt erst einmal unklar. Es soll ja Spannung aufkommen. Nur klappt das nicht, weil Simón Szenen von freudesprühender Einfalt einbindet, die mit der eigentlichen Geschichte nichts, aber auch rein gar nichts zu tun haben.

Wie die junge Frau, die mit einem Skateboard in eine Spiegelglasscheibe brettert, die in bester Comedy-Manier aus einem Lastwagen geladen wird. Soll das etwa der Auslöser für weitere Morde sein? Immerhin ist Tommys Mutter im Todeskampf selbst gegen einen Spiegel geprallt. Jedenfalls hat er immer noch schwer einen an der Waffel und dass es bald weitere Tote gibt, ist so klar wie das Gehäuse der Kettensäge gelb. Also wird einer Studentin am hellichten Tag auf einer öffentlichen Wiese (!) der Kopf von den Schultern geschwungen. Das stellt den einberufenen Inspektor Bracken (Christopher George, „Ein Zombie hing am Glockenseil“) nicht allein aufgrund des unauffindbaren Hauptes vor ein Rätsel.

Um dem Täter beizukommen, schickt er Undercover-Schnüfflerin Mary (Georges Frau Lynda Day, „Panik in der Sierra Nova“) aus und ermittelt erst mal ins Leere. Das frisst unnötig viel Zeit und knabbert am Geduldsfaden. Da passt wunderbar, dass am Ende ein simpler Backgroundcheck genügt, um den Mörder zu identifizieren. Fraglos gobt es zahllose Slasher-Filme. Viele versuchen ein nachvollziehbares Milieu zu schaffen, in dem der wahnsinnige Killer wüten kann. „Pieces“ ist davon meilenweit entfernt. Als schwarzer Schemen mit Hut stellt Timmy seinen Opfern mit keuchendem Brösel in der Luftröhre nach und lagert Leichenteile in der heimischen Kühlkammer, um dem handfesten Mutterkomplex mit Puzzleleidenschaft beizukommen.

Verdächtige präsentieren sich gleich mehrere: Der snobistische und etwas hüftsteif wirkende Anatomie-Professor Brown (Jack Taylor, „Nachts, wenn Dracula erwacht“) etwa. Oder der Dekan (Edmund Purdom, „Don’t Open Till Christmas“), der aussieht wie Englands ehemaliger Premierminister Gordon Brown. Als potenzieller Täter empfiehlt sich auch Bud Spencer-Kopie Paul L. Smith („Popeye“), der sich als professioneller Heckentrimmer Willard aber viel zu offensichtlich ins Profil fügt. Bleibt noch Student Kendall (Ian Sera). Nur fällt der bereits aufgrund des jungen Alters als aus dem Rahmen. Da kann ihn Bracken auch gleich als Ermittlungsunterstützung rekrutieren.

Wenn Mary aus dem abendlichen Nichts von einem Karateka attackiert wird oder Bracken die Frage stellt, ob die Leiche am Pool wohl mit der daneben liegenden blutbesudelten Kettensäge zerteilt wurde, bleibt garantiert kein Auge trocken. Überhaupt gibt es in diesem bizarren Splatter-Trash viel zu entdecken und noch mehr zu lachen. Gelungenen Kameraplatzierungen und technischem Vermögen bei der Umsetzung der zeigefreudigen Morde stehen lachhafte Situationskomik und haarsträubende Dialoge gegenüber. Als sleaziges Exploitation-Potpourri ist „Pieces“ bis heute berüchtig. Die gesteigerte Absurdität verdeutlicht insbesondere die Finalszene, bei der Timmys Leichenpuzzle fern von jedem Zusammenhang ein mysteriöses Eigenleben entwickelt. Ob mit der Kastration wohl ein wenig Wiedergutmachung wegen der brutalen Traktierung von Frauen geleistet werden sollte? Unterm Strich wahrlich kein guter Film, dafür aber ein echtes Erlebnis!

Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

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