Ende der Neunziger hatte Mel Gibson genug. Der „Leathal Weapon“-Star wollte nicht länger „Mr. Nice Guy“ sein. Dass er diesen Status im neuen Jahrtausend vor allem durch private Skandale torpedierte, mag an dieser Stelle lediglich bar jeder Wertung angemerkt werden. Als seine Welt noch in Ordnung war, fiel ihm ein Skript von Brian Helgeland in die Hände. Der hatte für „L.A. Confidential“ (1997) einen Oscar eingeheimst und bürgte für eine Menge kreativen Potenzials. Da traf sich gut, dass dieser eine Hommage an die dreckigen Thriller der 60er und 70er (insbesondere „Point Blank“, der sich ebenfalls auf Donald E. Westlakes Roman „The Hunter“ beruft) verfasst hatte. Die gefiel Gibson so gut, dass er sich als Produzent und Hauptdarsteller andiente.
Der Rest ist eine Geschichte, wie sie Hollywood viel zu oft geschrieben hat. Wenn sie diesmal auch ein Happy End aufweist. Helgeland, der unbedingt selbst Regie führen wollte, schwebte ein düsterer kleiner Film ohne Anbiederung an die breite Masse vor. Ergo nichts, in dem man einen Star wie Mel Gibson erwarten würde. Das sah bei Vorführung der Rohfassung neben den Verantwortlichen bei Warner auch Gibson so. Also wurde nachgedreht, wofür Helgeland aber partout nicht bereitstehen wollte. Die Kinofassung erhielt einen völlig neuen Schlussakt (mit Kris Kristofferson als Ober-Gangster) und weniger Zynismus. Dafür wurde Gibsons Figur Porter schlitzohriger und irgendwie sympathischer angelegt. Bei einem brutalen Rächer wahrlich kein leichtes Unterfangen.
Wo also bleibt das Happy End? Das gab es zunächst nur in der im Kino gezeigten und später auch auf DVD veröffentlichten Version. Helgelands glücklicher Ausklang folgte 2006, in jener Zeit, als Gibson im Zuge seines umstrittenen Bibel-Splatters „Die Passion Christi“ in Verdacht geriet, ein ausgemachter Antisemit zu sein. Denn plötzlich erhielt Helgeland doch noch die Gelegenheit, seine Vision von „Payback“ zu realisieren. Aus heutiger Sicht möchte man meinen, dass Gibsons Ruf durch Porters ursprünglich angedachte, deutlich unerbittlichere Figurierung ohnehin kaum mehr Schaden hätte nehmen können. Aber seien wir dankbar für dies späte Einlenken, ist der Streifen in dieser Variante doch deutlich ambivalenter und abgefuckter – eben ganz so wie die erklärten Thriller-Vorbilder.
Allerdings unterscheidet sich die Schnittfassung, die 2007 als „Director’s Cut“ veröffentlicht wurde, von der seinerzeit abgelehnten Erstversion. Zusammen mit Cutter Kevin Stitt, der auch die Gibson-Filme „Lethal Weapon 4“ und „Fletchers Visionen“ montiert hatte und der an allen drei Varianten von „Payback“ beteiligt war, sichtete Helgeland die originalen Aufnahmen (die digitalen Kopien blieben unauffindbar) und erstellte so eine Fassung, die ihm nachträglich ideal erschien. Ein Meisterwerk hatte er, wie er selbst sagt, nie im Sinn. Aber seiner ursprünglichen Vorstellung sollte „Payback“ entsprechen. Und das glücklicherweise mit dem Segen von Superstar Gibson.
Dessen Porter, nach einem Überfall auf eine Gruppe chinesischer Gangster von Partner Val Resnick (Gregg Henry, „Slither“) und Ehefrau Lynn (Deborah Kara Unger, „The Game“) kaltblütig niedergeschossen, taucht irgendwann wieder auf. Auf die Nachvollziehbarkeit seiner Genesung und den erläuternden Off-Kommentar wird im Director’s Cut verzichtet. Porter kehrt einfach zurück, getrieben von einem unterschwellig ulkigen Prinzipienkodex, der wegen lumpiger 70.000 Dollar einen Kleinkrieg mit einem mächtigen Verbrechersyndikat (u.a. Alt-Star James Coburn) anzettelt. Auf der Suche nach Val prügelt er (anders als in der Kinofassung) die verlotterte Lynn durch die Küche und findet in seiner ehemaligen Geliebten, der Syndikats-Prostituierten Rosie (Maria Bello, „The Cooler“) eine Unterstützerin.
Den stilsicheren Blaufilter sucht man im Director’s Cut vergebens. Ebenso ein Gesicht an der Spitze des Syndikats. Lediglich via Telefon hält Porter Kontakt mit dessen Oberin Bronson (im Original mit der Stimme von Sally Kellerman, „M*A*S*H“). Gleich bleibt neben Vals Schicksal nur die Beteiligung der beiden korrupten Polizisten (u.a. Bill Duke, „Ein Vogel auf dem Drahtseil“), die der Beute selbst habhaft werden wollen. Nicht zu vergessen Lucy Liu („3 Engel für Charlie“) als Triaden-Domina. Helgelands Fassung endet mit dem bleihaltigen Versuch einer Geldübergabe an einem Hochbahnhof. Gerade dies Finale unterstreicht Helgelands Ambition einer schnörkellos altmodischen Gangster-Geschichte, obendrein mit einem Mel Gibson in selten erlebtem Arschloch-Modus. Naja, zumindest filmisch betrachtet.
Wertung: (7,5 / 10)