Die Pixar Animationsstudios vollbringen wahre Wunder. Immer wieder verblüffen sie mit Trickfilmen, die im virtuosen Zusammenspiel von Anspruch und Unterhaltung sämtliche Altersgruppen zu faszinieren verstehen. Das beweist das Vorzeige-Unternehmen des Disney-Konzerns auch mit „Oben“, einer tragikomischen Irrfahrt ins Reich der Fantasie. Zu Helden werden darin ein seiner Mündigkeit beraubter alter Mann und ein dicker Junge. Nicht gerade die üblichen Bezugsfiguren; für Oscar-Abonnent Pixar, wo selbst der wortkarge Putzroboter „Wall-E“ zum liebenswerten Star wurde, ist das wahrlich kein Hindernis.
Zudem sind die inspirierten Kindsköpfe mit solch erzählerischer Klasse gesegnet, dass sie bereits den Auftakt, die im Zeitraffer aufgezeigte Lebens- und Liebesgeschichte von Carl Fredricksen und seiner Frau, mit zarter Melancholie und berührendem Feingefühl veredeln. Am Ende stirbt Carls große Liebe, ohne dass sich Kinderwunsch und der gemeinsame Traum von der Abenteuerreise nach Südamerika je erfüllen konnten. Als der Witwer dann auch noch aus seinem Haus vertrieben und ins Altenheim verfrachtet werden soll, fasst er einen verwegenen Plan.
An unzähligen gasgefüllten Ballons lässt er sein Heim in die Höhe steigen und macht sich auf in jene vom legendären Entdecker Charles Muntz erschlossene Welt, die er und seine verschiedene Gattin so gern gemeinsam erkundet hätten. Unfreiwilliger Begleiter ist der pummelige Russell, ein geschwätziger Pfadfinder, der sich beim Start des Hauses auf Carls Veranda befand. Mit vereinten Kräften schafft es das ungleiche Duo bis ans Ziel, eine urzeitliche Biosphäre, in der sich auch der als Hochstapler geächtete Muntz findet.
Mit einem Rudel mittels hochtechnologischer Halsbänder des Sprechens fähiger Hunde stellt der einem prähistorischen Vogelweibchen nach, deren Gefangennahme seinen Namen nach Jahrzehnten reinwaschen soll. Ausgerechnet mit jener debil dreinblickenden Kreatur hat sich Russell angefreundet, was der wahnsinnige Muntz als Zeichen der Niedertracht deutet. Ein verbissener Kampf um das Wohl des Riesenvogels (und dessen Nachwuchs) beginnt, bei dem sich Dug, der phlegmatischste unter Muntz Spürhunden, auf die Seite von Carl und Russell schlägt.
Mit Co-Regisseur Bob Peterson (dem Autor von „Findet Nemo“) schuf Pete Docter („Die Monster AG“), der auch an den Drehbüchern zu „Toy Story“ und „Wall-E“ beteiligt war, ein liebenswertes und lebensbejahendes Trickfilm-Abenteuer in farbenfrohem Ambiente. Die Anlehnung an typische Disney-Stoffe sticht mit Kinderfigur, sprechenden Tieren und moralischer Botschaft zwar deutlicher als bei früheren Werken Pixars hervor. Die „echte“ Menschlichkeit der animierten Figuren und die brillante, um Realismus bedachte Konzeption der Naturkulissen sorgen bei aller Anregung der Fantasie aber wiederum für Tiefgang. Und diese Ausgewogenheit macht Pixar so schnell niemand nach.
Wertung: (8 / 10)