NoRMAhl – Friede den Hütten – Krieg den Palästen (2015, D7)

normahl-friede-den-huetten-krieg-den-palaestenSie sind ein Stück deutsche Kulturgeschichte. Und das nicht allein, weil ihre Gründung auf das Jahr 1978 zurückgeht. Der große kommerzielle Erfolg blieb NORMAHL (eigentlich NoRMAhl) stets verwehrt. Dabei mangelte es dem Punk-Urgestein aus Winnenden, gerade in den frühen Neunzigern, während ihres unermüdlichen Kampfes gegen Neonazis und Ausländerfeindlichkeit, nicht an medialer Resonanz. Aktiv und engagiert sind die Musiker bis heute geblieben. Dazwischen liegen Trennung und Reunion, neun Studioalben, verschiedene Live-Platten und ihre eigene Dokumentation „Jong’r“. Dass sie auch nach fast 40 Jahren Bandgeschichte nicht müde sind, belegt „Friede den Hütten – Krieg den Palästen“.

Das erste reguläre Album in 10 Jahren unterstreicht die Wichtigkeit der Vorreiter des deutschen Punks. Zwar wandten die sich in den späten Achtzigern vornehmlich heitereren Themenschwerpunkten zu (unvergessen bleiben der „Biervampir“ oder „Geh wie ein Tiger“), an kritischen Worten ließen es NORMAHL jedoch nie mangeln. Dafür steht auch die letztjährige Indizierung des über 30 Jahre alten Songs „Bullenschweine“. Der folgte ein beachtliches massenmediales Echo, das die Staatsanwaltschaft mit der jugendgefährdenden Einstufung weiterer Stücke – und damit der gesamten „Ein Volk steht hinter uns“-LP – beantwortete. Auch gegen diese Willkür richtet sich das neue Material (siehe „Freiheit“).

Wenn auch nicht allein mit eigenen Worten. Denn die Hälfte der 12 Nummern wird mit Neuinterpretationen inhaltlich zum Teil erstaunlich aktueller Klassiker bestückt. Die künstlerische Freiheit etwa wird gleich zum Auftakt in „Dieser Sänger braucht nur ein Chanson“ (Joe Dassin) gefeiert. Aber auch Georg Kreisler („Kapitalistenlied“), Hannes Wader („Es ist an der Zeit“) oder Reinhard Mey („Das Narrenschiff“) werden als kritische Seitenhiebe auf die Ausprägungen des politischen Systems aufgegriffen. Ein klares Statement gegen die bereits am Hindukusch beginnende Kriegs-, pardon Außenpolitik gibt es mit „Söldner“ auf die Ohren. Musikalisch geht es dabei nicht ungestüm, sondern abseits der punkig rockenden Grundierung überraschend vielseitig zu.

Doch selbst der Einsatz von Schifferklavier oder fröhlichem Pfeifen dient eher der Betonung des Hintersinns. Neben dem Handwerksgesellenlied „Es, es, es und es“ sowie dem launigen „Aber morgen hab’n wir Geld“ (Hazy Osterwald Sextett) beweisen NORMAHL auch mit den verbleibenden Eigenkompositionen thematischen Abwechslungsreichtum. Den angenehmen Stunden des Lebens wird mit „Sommer“ und „Spaß“, den (wehmütigen) Erinnerung mit „Landjugend“ und „Alter Junge“ Tribut gezollt. „Friede den Hütten – Krieg den Palästen“ ist ein starkes Album, das ohne aufgesetzte Altersweisheit den Schulterschluss zwischen Deutsch-Punk gestern und heute probt. An Überzeugungskraft mangelt es der musikalischen Prägung zwischen Lässigkeit und Aufrüttelung damit keinesfalls.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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