„Everybody dies… some sooner than others.“ – Hutch
Durch den Serienklassiker „Breaking Bad“ (2009-2013) und dessen Ableger „Better Call Saul“ (2015-2022) erlangte Bob Odenkirk späten Weltruhm. Actionlastige, geschweige denn körperbetonte Rollen zählten für den 59-jährigen bislang nicht zum Repertoire. Gerade das macht seine Besetzung als Ein-Mann-Armee in „Nobody“ zum echten Coup.
Hutch Mansell (Odenkirk) ist ein Normalo wie aus dem Bilderbuch: Familie, Buchhalterjob, Vorstadthaus. Gefangen in täglicher Routine – und der wachsenden Distanz zu Gattin Becca (Connie Nielsen, „Gladiator“) – gleicht eine Woche der nächsten. Das ändert sich, als das Haus der Mansells Ziel eines nächtlichen Überfalls wird. Dass seine Armbanduhr von den bewaffneten Räubern entwendet wird, bleibt für Hutch verschmerzbar. Aber das verschwundene Katzenarmband seiner Tochter ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Dem Publikum dämmert erst allmählich, dass unter der bürgerlichen Fassade eine Killermaschine lauert. Den Beweis erbringt Hutch aber erst, als er nach einer moralisch ernüchternden Visite des Einbrecher-Duos im Linienbus mit einem russischen Schlägertrupp – darunter die B-Karatekas Alain Moussi („Jiu Jitsu“) und Daniel Bernhardt („Matrix Reloaded“), der Odenkirk physisch auf seine Rolle vorbereiten half – konfrontiert wird. Das Ergebnis der handfesten Auseinandersetzung, die in Sachen Gewalt die Weichen für ein zunehmend comichaftes Spektakel stellt, ist für Hutch zunächst Genugtuung.
„Deep down, I always knew it was a facade. It just lasted a lot longer than I thought.“ – Hutch
Allerdings rechnet er nicht mit dem Umfang der Konsequenzen. Denn einer der von ihm ins Krankenhaus geprügelten Aggressoren ist der Bruder von Yulian Kuznetsov (Aleksey Serebryakov, „McMafia“), der für den russischen Mob ein gewaltiges Barvermögen hütet. Der skrupellose Gangster, der in seinem Nachtclub gern singend auf der Bühne steht, macht Hutch ausfindig und schickt ihm ein Killerkommando auf den Hals; der Beginn eines Kleinkriegs, der den Niemand mit Vergangenheit als Regierungskiller zu kaltblütiger Hochform nötigt.
Die Parallelen zur „John Wick“-Formel ergeben sich aus der Beteiligung von Autor Derek Kolstad. Anders als der (Halb-)Bruder im Action-Geiste lebt „Nobody“ aber von der grundlegenden Unscheinbarkeit seiner Hauptfigur. Dessen kompromissloser Feldzug gegen Yulians Imperium wird am Ende vom im Altenheim lebenden Vater David („Zurück in die Zukunft“-Altstar Christopher Lloyd) und seinem weitgehend per Funk teilhabenden Bruder Harry (RZA, „The Man With the Iron Fists“) flankiert.
Gestorben wird in Ilya Naishullers („Hardcore“) Radau-Groteske reichhaltig – und blutig. Der Verzicht auf eine Erwachsenenfreigabe speist sich jedoch aus der nur zu offensichtlichen Übertreibung. Dabei wird Odenkirks Wandlung vom Spießer zur Kampfmaschine auch visuell vergnüglich aufbereitet. Auf das Erzähltempo zahlt zudem ein, dass „Nobody“ – anders als etwa die „John Wick“-Sequels – als geradliniger Neunzigminüter angelegt ist. Dass dem ironischen, gut besetzten Action-Overkill – als Hutchs Boss tritt Altstar Michael Ironside („Total Recall“) in Erscheinung – am Ende ein wenig die Puste ausgeht, bleibt angesichts des Gesamtpakets verzeihlich. Ein Wiedersehen mit diesem Niemand ist definitiv erbeten.
Wertung: (7 / 10)