Nightmare Detective (J 2006)

nightmare-detectiveDer japanische Horrorfilm ist unberechenbar. Zumindest abseits der sich zunehmend einstellenden Beliebigkeit. Darin liegt sein entscheidender Vorteil gegenüber Hollywood. Der Zuschauer liefert sich den Filmemachern aus und unterwirft sich der Zügellosigkeit exzentrischer Kreativität. Solche zeichnet auch Shin’ya Tsukamoto aus, der mit Werken wie „Tetsuo – The Iron Man“ oder „Hiruko – The Goblin“ seine ganz eigentümlichen Visionen des Terrors schuf. Sein jüngster Streich „Nightmare Detective“ wirkt dagegen vergleichsweise konventionell, bietet aber dennoch ausreichend Gelegenheit, den Betrachter mit alptraumhaften Bildern und zehrender Suggestion zu überrumpeln.

Die Titelfigur (Ryuhei Matsuda, „9 Souls“) ist kein Ermittler, sondern ein Opfer ihrer Umstände. In der Kindheit ungeliebt, wurde aus dem traumatisierten Jungen ein lebensmüder Einzelgänger. Doch er besitzt die Gabe des Gedankenlesens, mehr noch die Fähigkeit, in die Träume seiner Mitmenschen einzudringen. Ein kräfteraubendes Prozedere, das ihn jedesmal an den Rand des Wahnsinns treibt. Ungeachtet der Risiken für seine Psyche scheint er die letzte Hoffnung der jungen, von ihren Kollegen belächelten Polizistin Keiko (Popsängerin Hitomi) zu sein. Die plagt sich mit zwei mysteriösen Todesfällen, die den Eindruck von Selbstmorden erwecken.

Rätsel gibt der Umstand auf, dass die grausam zugerichteten Toten vor ihrem Ableben mit einer unbekannten Person, in den Mobiltelefonen lediglich mit „0“ angeführt, gesprochen haben. Zudem finden sich Dialogfetzen in den Handyspeichern, die auf Hilferufe der Verstorbenen schließen lassen. Als Keikos Kollege Wakamiya (Masanobu Ando, „Battle Royale“) den Unbekannten erreicht, soll der Alptraumdetektiv in das Unterbewusstsein des potenziellen Opfers eindringen, um die unglaubliche Theorie, ein Mörder würde in den Träumen sein Unwesen treiben, zu bestätigen.

Autor und Regisseur Tsukamoto, der den übersinnlichen Killer übrigens selbst spielt, windet dem zumindest auf dem Papier simplen Plot eine Narration ab, die weder stringent noch übersichtlich ist. Statt Erklärungen zu liefern, beschränkt er sich auf die Kraft des Visuellen. Bei seinen vorangehenden Werken funktionierte das durchgängig. Auf Kosten des Konzeptes geht diesmal der Unterhaltungswert, häufig relativiert durch das zurückhaltende Auftreten der Darsteller. Seine kraftvollsten Augenblicke erreicht der Film im Subtext, wenn die Kälte der urbanen Isolation und die Entfremdung des Individuums spürbar werden. Aus ihr speist sich die Todessehnsucht, die dem Mörder als Motiv dient.

Leichte Kost ist der blutige, auf verstörende Schnitte und eine wirkungsvoll das Schockpotenzial unterstreichende Soundkulisse setzende Horror-Thriller beileibe nicht. Er richtet sich an ein Publikum, das in Sachen Spannungserzeugung gefordert werden will. Dahingehend gibt sich „Nightmare Detective“ keine Blöße, allen voran gemessen am surrealen Finale. Eingefleischte Verehrer von Tsukamotos bizarren Bilderwelten aber sollten sich ob des gängige Genremuster hofierenden Konstrukts auf eine Enttäuschung einstellen. Davon abgesehen bleibt er ein sehenswerter Beitrag zu Japans Mystery-Welle.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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