„Everything’s true. God is an astronaut. Oz is over the rainbow. And Midian is where the monsters live.“ – Peloquin
Es gibt Filmfassungen, auf die müssen Fans Jahrzehnte warten. Der Director’s Cut von „Blade Runner“ (1982) ist so ein Beispiel, wobei der nachgereichte Final Cut eher dazu diente, die letzten Befindlichkeiten Ridley Scotts auszuräumen. Weniger wegweisend, darüber aber nicht weniger willkommen war die ungekürzte Originalversion des Slasher-Streifens „My Bloody Valentine“ (1981), an deren Veröffentlichung Paramount lange kein Interesse zeigte. Fälle wie diese sind zahlreich. Sie treten immer dann auf, wenn die Vision des Regisseurs mit dem kommerziellen Kalkül der Produzenten kollidiert.
Zu spüren bekam dies auch Kult-Autor Clive Barker, der nach seinem ikonischen Regiedebüt „Hellraiser“ auch mit „Nightbreed“ (deutscher Titel: „Cabal – Die Brut der Nacht“) eine eigene Vorlage verfilmen wollte. Das verhältnismäßig üppige Budget von 11 Millionen Dollar wollte er nutzen, um ein wahres Epos zu schaffen. Oder, wie er selbst sagte, „das Star Wars des Horrorfilms“. Er wollte einer eigenen Welt auf der Leinwand Gestalt geben und eine Freakshow nie gekannten Ausmaßes entfesseln. Joe Roth, Mitbegründer der Produktionsfirma Morgan Creek und seinerzeit Vorstand von 20th Century Fox, hatte etwas dagegen. Dabei ist die Umbenennung von „Cabal“, so der Titel von Barkers Roman, in „Nightbreed“ noch der unwesentlichste Eingriff.
Denn nachdem Barker und Cutter Richard Marden („Hellraiser“) die rund 150 Minuten lange Rohfassung vorlegten, verlangte das Studio massive Kürzungen. Im Kombinat mit Nachdrehs (das Prinzip Testpublikum bleibt ein ewiges Rätsel) und der Ersetzung Mardens durch Mark Goldblatt („Das Tier“) erhielt der Film eine merklich andere Gewichtung. Denn was Barker vorschwebte, war eine morbide Liebesgeschichte. Gerade von der aber blieb am Ende nicht viel übrig. Abhilfe schafft der nachgereichte – und von der weltweit nicht gerade kleinen Fanbasis sehnsüchtig erwartete – Director’s Cut. Stein des Anstoßes bildete der sogenannte „Cabal Cut“ (eine mit sämtlichen verfügbaren Schnittszenen angereicherte Kinoversion), der zuvor im Rahmen von Sondervorführungen gezeigt wurde.
In diesem Zuge erhielt Barker rund 25 Jahre, nachdem seine Vision an den Konventionen Hollywoods zerschellt war, die Gelegenheit, das von ihm ursprünglich intendierte Werk doch noch zu realisieren. Das finale Produkt, darüber darf gern diskutiert werden, ist jedoch kein völlig neuer Film geworden. Dafür aber ein in sich geschlossenerer und insgesamt komplexerer. Mit rund zwei Stunden Spielzeit läuft der Director’s Cut 20 Minuten länger als die Kinoversion. Neben neuem Material ersetzte Barker aber auch einige Szenen durch alternative Einstellungen, so dass es insgesamt rund 40 Minuten neu zu entdecken gibt. Verändert wurde dabei insbesondere die erzählerische Gewichtung.
Maß die Kinoversion Psychiater Dr. Decker (Kult-Regisseur David Cronenberg, „Die Fliege“) eine besondere Bedeutung bei, wird er nun der Vielschichtigkeit des Plots untergeordnet. Das bleibt vor allem zu Beginn spürbar, wenn die Beziehung zwischen dem von Alpträumen heimgesuchten Aaron Boone (Craig Sheffer, „Hellraiser: Inferno“) und Freundin Lori (Anne Bobby, „Geboren am 4. Juli“) intensiver betrachtet wird. Dabei wird auch eine Konzertszene eingebunden, bei der Lori in 80’s-Anlehnung nicht zwingend synchron zur Rock-Röhre wird. Gebraucht hat es diese Ergänzung kaum. Doch die großen Aha-Erlebnisse lässt Barker vorrangig in Midian folgen, jenem von Monstern bevölkerten mythischen Ort, an den Boone in seinen Träumen stets geführt wird.
Dr. Decker, der als maskierter Killer kaltblütig Familien auslöscht, schiebt die Schuld auf Boone und lässt diesen, als er Midian mit Hilfe des kundigen Selbstverstümmelers Narcisse (Hugh Ross) auf einem Friedhof in der kanadischen Provinz aufspürt, hinrichten. Doch ein vorangegangener Biss von Menschenfresser Peloquin (Oliver Parker) sorgt dafür, dass Boone von den Toten zurückkehrt. Die Neuerungen im Mittelteil fallen eher dezent aus. Midian und seine Bewohner, die letzten Überlebenden übernatürlicher Völker und Stämme – neben Barkers Ober-Zenobit Doug Bradley als Gandalf-Verschnitt Lylesberg ist das unbestrittene Highlight immer noch Stachelschwein-Frau Shuna Sassi (Christine McCorkindale) –, erhalten mehr Raum. Schlüssiger erscheint zudem, warum Lori ihrem Boone entgegen aller Mordverdächtigungen bis ins Reich der Monster folgt.
Dessen Vernichtung wird zu Deckers Maxime, weshalb er mit Sheriff Eigerman (Charles Haid) paktiert und Midian mit Lynchmob und versoffenem Priester (Malcolm Smith) attackiert. Der ausgiebige und herrlich überdrehte Showdown, bei dem Boone die grundlegend friedlichen Freaks zur Gegenwehr animiert, weist diverse Ergänzungen (und ein wenig mehr Einsatz der Berserker) auf und präsentiert ein komplett neues Ende. Das besiegelt – im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung – Deckers Schicksal, lässt das der Überlebenden Midians im Gegenzug aber offen. Stärker gewichtet wird auch die Liebe zwischen Lori und Boone, so dass der zweifelsfrei gute, jedoch definitiv wie Flickwerk wirkende Kino-Cut merklich ins Hintertreffen gerät.
Zweifelsfrei hätte Barker noch mehr Material einbringen können. Manchem Fan könnten die Erweiterungen und damit verbunden die Abhebungen zur Studioversion nicht weit genug gehen. Doch die Vision Barkers wird erst im Director’s Cut offenbar und die Atmosphäre des morbiden Erwachsenenmärchens – der Score von Danny Elfman („Sleepy Hollow“) unterstreicht diesen Charakter vortrefflich – durch den verlangsamten Erzählrhythmus zusätzlich verstärkt. Auch wird das Panoptikum der Friedhofsbewohner um ein paar bislang unbekannte Gestalten (und Stop-Motion-Effekte) ergänzt. Wenn „Nightbreed“ ein Zirkus ist, so ist Clive Barker sein Direktor. Das Warten auf dessen späte Genugtuung hat sich definitiv gelohnt!
Wertung: (8 / 10)