Mit zunehmendem Alter kommt Jackie Chan seine Popularität im Westen mehr und mehr zu Gute. Den Zenit gefahrvoller Stuntspektakel merklich überschritten, beschränkt der populäre Martial-Arts-Mime das Spektrum seiner Darbietungen mittlerweile auf simple Komik und seichte Action – oder auf unbedeutende Gastrollen in Filmproduktionen seiner Heimat, wie zuletzt geschehen bei den beiden Teilen von „The Twins Effect“. Und obwohl Amerika für Jackie Chan das Idealbild des wohl situierten Altengleises verkörpern dürfte, fügt sich die sympathische Kampfkunstikone noch nicht vollends in ein Schicksal aus unzähligen weiteren Sequels zum Kassenschlager „Rush Hour“ – dessen dritter Teil im übrigen zur Zeit entsteht. Denn unter der rasanten Regie von Benny Chan („Gen-X Cops“, „Heroic Duo“) kehrt Jackie Hollywood vorübergehend den Rücken und begibt sich als Ermittler in den Straßen Hongkongs erneut auf Gangsterjagd.
Auf der Spur einer skrupellosen Gruppe gelangweilter Oberklassensprösslinge mit Faible für Extremsport tappt Inspector Wing Chan (Jackie Chan, „In 80 Tagen um die Welt“) in einen Hinterhalt der schwer bewaffneten Bande. Sein Team wird komplett aufgerieben, er selbst überlebt verletzt. In der Folge verfällt Wing dem Alkohol und entfremdet sich zusehends von seiner Verlobten Ho Yee (Charlie Yeung, „Schrift des Todes“). Erst als der junge Polizist Fung (Nicholas Tse, „Time and Tide“) dem seelisch angeschlagenen Chan auf die Beine hilft, schöpft dieser neue Kraft. Zusammen mit Kollegin Sa Sa (Charlene Choi, „The Twins Effect“) heftet sich das Duo an die Fersen der Verbrecher. Doch verstrickt der Anführer der Bande (Daniel Wu, „The Twins Effect 2“) seine Opponenten in ein perfides Spiel auf Leben und Tod, bei dem auch Ho Yee in Lebensgefahr gerät.
Mit der zwischen 1985 und 1996 entstandenen „Police Story“-Quadrilogie hat „New Police Story“ nur im entfernten Sinne zu tun, eher schon mit dem inoffiziellen Ableger „Hard To Die“ von 1993. Wie dort verzichtet Jackie Chan auch in seinem jüngsten Streifzug gänzlich auf humoristische Tendenzen und präsentiert seine Paraderolle des ‚Drunken Master’ in einem deutlich düsteren Kontext. Entgegen dem üblichen Gebaren des albernden Clowns verkörpert er hier überraschend ausdrucksstark einen gebrochenen Charakter. Alkoholisiert und des Lebens müde stolpert sein Wing Chan durch Straßen und Gassen der fernöstlichen Metropole und speit hochprozentigen Alkohol aufs Pflaster.
Doch bewegt sich „New Police Story“ im Bereich erhöhter Adrenalinausschüttung, was die dramatischen Aspekte des Films zwischen den furiosen Actionszenarien platziert, nicht in deren Vordergrund. Dabei stechen einige Ungereimtheiten und frappante logische Schwächen hervor. Denn der Plot ist nicht nur dem Genre entsprechend simpel ausgekleidet, sondern auch gänzlich realitätsfern. Derlei verzeihliche Mängel werden im Gegenzug allerdings durch moderne Action, gute Stunts und Jackie Chans überzeugendste Performance seiner Karriere egalisiert. Zum Charakterdarsteller wird der Kung-Fu-König auf seine alten Tage wohl nicht mehr avancieren, doch übersteigt seine Performance die Anforderungen Hollywoods an seine Person bei weitem.
Der Name Jackie Chan bürgt noch immer für oberrangige Action, das gilt auch im Falle von „New Police Story“ als Prämisse. Vollziehen sich die akrobatischen Bewegungsmuster auch langsamer als in vergangenen Tagen, gefällt das Resultat doch als straff inszenierte wie überwiegend sinnfreie Mischung aus Actionfilm, Drama und Thriller. Und setzt der technisch auf hohem Niveau realisierte Film auch erwartungsgemäß keinerlei Maßstäbe, so bildet er dennoch angenehmes Kontrastmittel zu Jackies weichgespültem Auftreten in den USA.
Wertung: (7 / 10)