Nagisa Ôshimas kontroverser Polit-Diskurs „Nacht und Nebel über Japan“ bedarf zum Verständnis einer historischen Einordnung: Im September 1951 unterzeichneten 49 Staaten in San Francisco einen Friedensvertrag mit Japan. Ein zusätzlicher Sicherheitspakt sollte den USA die Stationierung von Streitkräften auf japanischem Boden erlauben. Dieser Entwurf wurde dem Parlament in Tokio im Februar 1960 zur Ratifizierung vorgelegt. Die Folge waren wütende Proteste der linken Opposition, die den Beschluss, unterstützt von Studenten und Gewerkschaften, um jeden Preis verhindern wollten.
Es kam zu gewaltsamen Übergriffen, die zwar einen Staatsbesuch von US-Präsident Eisenhower, nicht aber die Ratifizierung des Sicherheitspaktes verhindern konnten. Mit seinem Film versucht Ôshima („Das Grab der Sonne“) die Emotionen jener aufgewühlten Ära begreiflich zu machen. Zudem bietet der Regisseur diskursive Anreize, die bei der möglicherweise verfrühten Veröffentlichung im Jahr 1960 zum Eklat führten. Die aufgeheizte politische Lage sorgte dafür, dass das intellektuelle Werk aus den Kinos verbannt wurde.
Statt die Konflikte in Massenszenen auf der Straße zu zeigen, trägt Ôshima den Protest in eine Hochzeitsgemeinschaft. Eigentlich wollen Journalist Nozawa und die studentische Aktivistin Reiko (Myuki Kowano) im Kreis erwählter Freunde und Gefährten ihre Eheschließung feiern. Doch mit dem Auftauchen des polizeilich gesuchten Ota kippt die Stimmung. Er bezichtigt die Genossen des Verrats der gemeinsamen Werte und verschafft sich Gehör, bis alte Wunden unvermittelt wieder aufreißen.
Während man in den Fünfzigern gemeinsam gegen den sogenannten AMPO-Pakt auf die Straße ging, beschränkt sich der Aktionismus der Hochzeitsgäste in den entscheidenden Zeiten des Aufruhrs auf das Anstimmen alter Lieder. Der zehrende Blick in die Vergangenheit bricht durch eine ans Theater erinnernde Inszenierung mit erzählerischen Konventionen. „Nacht und Nebel über Japan“ mag dialoglastig und historisch überholt sein, die Argumentation für die Freiheit des Geistes bietet aber auch heute noch genug Anreize für lebhafte Diskussionen über die Ideale des politischen Widerstands.
Wertung: (8 / 10)