Steven Spielberg steckt gerade in einer düsteren Phase seines Schaffens. Nach dem Vernichtungskrieg Außerirdischer in „Krieg der Welten“ wendet er sich in „München“ dem Rachefeldzug des israelischen Geheimdienstes gegen die Hintermänner des Attentats von München zu.
Olympisches Dorf in München 1972: Acht arabische Terroristen nehmen elf Sportler der israelischen Olympiamannschaft als Geiseln und fordern die Freilassung von über 200 Terroristen weltweit. Bei einem Befreiungsversuch der mit der Situation völlig überforderten deutschen Polizei geschieht das Schreckliche: Alle Geiseln sterben, doch die Spiele gehen weiter. Die israelische Ministerpräsidentin Gold Meir (Lynn Cohen, „Harry Außer Sich“) gibt den Befehl, die Hintermänner des Attentats auszuschalten. Auch der junge Agent Avner (Eric Bana, „Troja“) führt ein Team von Spezialisten an, das palästinensische Terroristen in Europa finden und töten soll. Doch mit jedem Mord wächst nicht nur die Angst, selbst Ziel eines Anschlags zu werden, sondern auch die Schuldgefühle steigern sich für den jungen Idealisten ins Unerträgliche.
Leben und Tod liegen in „München“ nah beieinander. Seien es die immer opulenter werdenden Festessen, die Avner seinen Mitstreitern nach jedem erfüllten Auftrag serviert, von denen aber immer weniger gegessen wird, sei es die Milch im Hausflur, die vom Blut eines Opfers langsam verdrängt wird, oder sei es die gewagte Montage von Avner, der in manischer Abwesenheit seine Frau penetriert und dem letzten Kapitel des Attentats von München, der Schießerei auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck – ständig verbindet Spielberg Elemente und Symbole des Lebens, der Hoffnung und der Unschuld mit roher Gewalt und Blut. Überhaupt geht der Regisseur von so Lebensbejahenden Werken wie „E.T.“ diesmal nicht gerade zimperlich mit dem Publikum um. Ein so hohes Kunstblutaufkommen gab es bislang noch in keinem seiner Filme. Und auch sind es diesmal keine putzigen Dinosaurier oder Außerirdische, die das Blutbad anrichten – es sind Menschen.
Nicht einmal die klare Einteilung in Gut und Böse wie in „Schindlers Liste“ ist in „München“ erhalten geblieben. In einigen starken Szenen unterhält sich Avner mit seinen künftigen Opfern, die meist nicht einmal unsympathisch sind. Wenige Szenen später werden sie trotz allem umgebracht. Auch die Darsteller überzeugen. Neben Eric Bana zeigen verdiente Schauspieler wie Matthieu Kassovitz („Die Purpurnen Flüsse“) oder Geoffrey Rush („Fluch der Karabik“) Leistungen auf sehr hohem Niveau. Selbst Hanns Zischler („23″) und Moritz Bleibtreu („Knocking On Heavens Door“) sind in kleinen Rollen zu sehen. Einen kleinen Abzug auf der B-Note gibt es nur für den an sich fantastisch agierenden Neu-Bond Daniel Craig („Road to Perdition“), der sich, aus welchem Grund auch immer, durch die komplette Bandbreite an Dialekten der britischen Inseln moduliert. Das ist aber nur ein sehr kleiner Wehrmutstropfen.
Steven Spielberg hatte in seinen ernsteren Filmen immer das Talent, durch ein in Sonnenlicht getauchtes Ende mit alten Männern oder schwangeren Frauen jedes kitschige Klischee zu bedienen und so noch dem besten Film einen etwas faderen Beigeschmack zu verpassen. Auch diesmal geht dem Film im letzten Drittel der immerhin über zweieinhalb Stunden ein wenig die Luft aus, dennoch hält er konstant ein sehr hohes Niveau, sodass man es dem Regisseur diesmal nicht sonderlich negativ ankreiden muss. Im Gegenteil. Die letzte Einstellung der Skyline von Manhattan mit dem World Trade Center im Hintergrund entschädigt dann doch wieder für einiges. Denn auch wenn es nicht mit diesem Holzhammer am Schluss hätte kommen müssen, die Botschaft von „München“ ist klar. Gewalt erzeugt Gegengewalt, Hass neuen Hass. Und worin diese Spirale kulminiert, das zeigt die letzte Einstellung. „München“ ist ein großartiger Thriller, der es mit historischen Tatsachen vielleicht nicht ganz genau nimmt. Das stört aber nicht weiter. Was zählt ist neben der sauberen Inszenierung die Botschaft – und die schafft es problemlos durch erzählerische Verdichtungen.
Wertung: (8 / 10)