„My Name is Earl, I’m an Addict.” – Mr. Brooks
Earl Brooks (Kevin Costner, „Open Range”) ist ein Mann von Format. Er ist angesehener Geschäftsmann, Eigner einer wirtschaftlich erfolgreichen Kartonagenfabrik und ein treu sorgender Ehemann und Vater. Das Leben des arbeitswütigen Unternehmers könnte so geradlinig verlaufen – wäre da nicht Marshall (William Hurt, „A History of Violence“), sein mephistophelisches Alter Ego, das ihn in mit Nachdruck auf die Befriedigung seiner, mehr noch ihrer Obsession drängt. Natürlich existiert Marshall nur in der Fantasie, in den Windungen seines gestörten Gehirns. Doch das Verlangen ist geweckt. Zwei Jahre lang hat Earl den Trieb bekämpft, ihn über Treffen der anonymen Alkoholiker geglaubt kontrollieren zu können. Als er mit dem imaginären Begleiter an einem folgenschweren Abend das Haus verlässt, gibt er dem Zwang nach. Mit eiskalter Präzision ermordet er ein Liebespaar. Sein Rausch ist das Töten.
Mit „Mr. Brooks“ wagt sich das Autorengespann Bruce A. Evans und Raynold Gideon („Die Piratenbraut“) auf dünnes Eis. Ein Mörder aus Sucht, verborgen hinter der Fassade eines Vertrauen erweckenden, eines angesehenen Zeitgenossen. Der auch von Evans umgesetzte Film hätte leicht das Psychogramm einer gespaltenen Persönlichkeit werden können. In gewisser Hinsicht ist er das geworden, wenn auch in einer Manier, die den Konventionen Hollywoods folgt und ihnen gleichermaßen entgegenwirkt. Serienmörder Earl, der unter dem Namen Thumbprint Killer die Ermittlerin Tracy Atwood (Demi Moore, „Striptease“) auf Trab hält, ist bei aller ihn umgebenden Perversion eine regelrecht liebenswerte Figur. Das Publikum darf mit ihm fiebern, sich auf seine Perspektive einlassen und sich an seinen genialischen Finten erfreuen. Aus diesem Zwiespalt begründet sich der Reiz des Films.
Der perfektionistische Killer begeht einen Fehler, als er sich bei dem Doppelmord von einem Nachbarn, dem Hobbyfotografen Smith (Standup-Komiker Dane Cook, „Mystery Men“) beobachten und ablichten lässt. Doch zu seiner und Marshalls Verwunderung will der Zeuge kein Geld, er will dem nächsten Tötungsdelikt Earls beiwohnen. Notgedrungen akzeptiert der sorgenvolle Totmacher das Angebot, obwohl er der Sucht doch endgültig abschwören wollte. Als wäre das nicht genug, quälen ihn familiäre Sorgen, regt sich in ihm doch der Verdacht, Tochter Jane (Danielle Panabaker, „Sky High“) könnte seinen Zwang geerbt haben. Über Mitwisser Smith kommt ihm unterdessen auch Bundespolizistin Atwood näher, die sich neben einem zehrenden Scheidungsprozess mit dem flüchtigen Serienkiller Meeks (Matt Schulze, „Hart am Limit“) herumplagen muss.
Die gegen ihr Image besetzten (Haupt-)Darsteller danken das in sie gesetzte Vertrauen mit starken Leistungen. Allen voran der oft gescholtene Kevin Costner läuft als sympathischer Mörder zur Form seines Lebens auf. Im harmonischen, oft synchronen Zusammenspiel mit William Hurt kreiert er einen Charakter, der die schier zwanghafte Identifikation des Publikums mit Leinwandfiguren ad absurdum führt. Diese elegant ausgereizte Ambivalenz lässt gern darüber hinwegsehen, dass sich der clever konstruierte Plot in überflüssige Nebenhandlungen ergeht und mit der aufgesetzt agierenden Demi Moore nah an der Fehlbesetzung vorbeischrammt. Die schwarzhumorige Mischung aus Thriller und Drama verzichtet weitgehend auf die Zurschaustellung blutiger Details und setzt bis zum etwas selbstgefälligen Schlusspunkt mehr auf die Entkernung der unterschiedlichen Psychen. Ein nicht perfekter, in seiner Andersartigkeit aber unbedingt sehenswerter Film.
Wertung: (7,5 / 10)