Der französische Regisseur Jean-Jacques Beineix, der in den 80ern mit „Diva“ und „Betty Blue“ gleich zwei weltweit umjubelte und mit Preisen überhäufte Zeitgeistbetrachtungen vorgelegt hatte, machte sich in den vergangenen Jahren äußerst rar. Lediglich einige Dokumentar- und Fernsehfilme gingen noch auf das Konto von Beineix, der nebenbei auch einen guten Ruf als Autor und Maler genießt. Nach zehnjähriger Kinoabstinenz stellte er im vergangenen Jahr mit „Mortal Transfer“ jedoch erneut sein Können unter Beweis.
Durch eine Reihe unglücklicher Zusammenkünfte läuft das Leben des bescheidenen Pariser Psychoanalytikers Michel Durand (Jean-Hughes Anglade) plötzlich aus dem Ruder. Der seit seiner Kindheit von ohnmachtsgleichen Schlafattacken heimgesuchte Therapeut erwacht nämlich eines Tages in seiner Praxis und muss mit Schrecken feststellen, dass seine Patientin Olga Kubler (Helene De Fourgrolles) erdrosselt auf der Couch neben ihm liegt. Dem ersten Schock folgt Ernüchterung, doch anstatt die Polizei zu verständigen, unternimmt Michel den Versuch einer Ergründung der Begleitumstände des mysteriösen Ablebens der schönen Frau.
Diese pflegte neben dem ausgiebigen Ausleben ihrer Kleptomanie auch bizarre Sexualpraktiken mit ihrem Ehemann Max (Ives Renier), einem angesehenen und in den höchsten Kreisen verkehrenden Immobilienmakler. So versteckt der Psychiater die Leiche kurzerhand unter seiner Analytiker-Couch und zeigt sich bemüht, den Weg ins alltägliche Leben zurückzufinden. Doch scheint dies leichter gesagt als getan, wird Michel doch nicht nur von seiner asiatischen Haushälterin beim vorzeitigen Beseitigen der Toten beobachtet, sondern auch von seiner Freundin, der Malerin Helene (Valentina Sauca) verlassen.
Zu allem Überfluss taucht auch noch Max in der Praxis auf und verlangt vom Psychiater seiner vermeintlich untergetauchten Gattin die Übergabe von 7 Millonen Francs, die Olga aus dem Besitz ihres Mannes unter Mithilfe Michelles entwendet haben soll. Beim verabredeten Treffen in Max‘ Villa wird dieser jedoch von einem Unbekannten erschossen. So bleibt nur die schnelle Entsorgung der Leiche in Michelles Praxis. Doch auch dieses Unterfangen gestaltet sich weitaus schwieriger, als zunächst angenommen.
Mit „Mortal Transfer“ hat Jean-Jacques Beineix ein wahres Thriller-Kleinod geschaffen, geprägt durch die virtuose Inszenierung und die verschachtelte Erzählstruktur. Das undurchsichtige Geflecht aus Perversion und charakterlicher Abgründigkeit wird fortwährend von schwarzhumorigen Einlagen durchbrochen. Die intensiv gespielte Wahrheitsfindung ist ein optischer Hochgenuss und tendiert zeitweise gar ins Surreale. Jean-Hughes Anglade („Killing Zoe“) brilliert als Psychiater am Rande des Nervenzusammenbruchs und krönt seine Leistung durch unterschwellige Gesten und Mimiken.
Über die Dauer von zwei Stunden bietet Beineix unspektakuläres, aber höllisch abgefahrenes Filmvergnügen. Die einzige Rechtfertigung der deutschen Freigabe ab 18 dürfte wohl den kaum skandalträchtigen S/M-Szenarien zuzuschreiben sein. Ein in jeder Hinsicht empfehlenswertes Werk, künstlerisch versponnen und eigenwillig stilisiert, allerdings einzig für Befürworter eher unkonventioneller Kost geeignet.
Wertung: (8 / 10)