Monte Hellman/Jack Nicholson Western Edition: Ride in the Whirlwind/The Shooting (USA 1965/1966)

monte-hellman-jack-nicholson-collectionEin noch immer sträflich unterschätzter Regisseur im Abseits des Hollywood-Mainstreams ist Monte Hellman („Two-Lane Blacktop“). Der 1932 geborene Filmemacher lernte sein Handwerk unter B-Produzent Roger Corman, den er während seiner Zeit als Schnittassistent beim Fernsehen kennen lernte. Unter ihm feierte Hellman 1960 sein Regie-Debüt mit „Beast From Haunted Cave“, dem drei Jahre später „The Terror“ folgte, bei dem er als Co-Regisseur und Cutter in Erscheinung trat. Dabei traf er auf Schauspieler Jack Nicholson, mit dem er Mitte der Sechziger die beiden Western „Ride in the Whirlwind“ und „The Shooting“ (im Deutschen auch „Ritt im Wirbelwind“ und „Das Schießen“ betitelt) drehte.

Obwohl im Auftrag Cormans back-to-back für rund 150.000 Dollar in der wüste Utahs entstanden, wurden die Vertriebsrechte für „The Shooting“ erst 1968 verkauft. Ins US-Kino kamen beide Werke jedoch nie. Stattdessen wurden sie gleich ans Fernsehen veräußert. Pierrot Le Fou veröffentlicht beide Filme in einer Box, die mit „Monte Hellman/Jack Nicholson Western Edition“ überschrieben ist. In Bild und Ton wirken beide Werke überraschend frisch. Erstaunlicher ist jedoch einmal mehr die Herangehensweise Hellmans, der neben der Regie auch Produktion und Schnitt übernahm. Denn während sich der amerikanische Western erst langsam von den alten Klischees und Mythen löste, widmen sich die beiden minimalistisch anmutenden Genrevertreter existenzialistischen Themenfeldern.

In beiden Filmen geht es um eine Menschenjagd. „Ride in the Whirlwind“ beginnt mit dem tödlichen Überfall auf eine Postkutsche, nach dem sich die Banditen (u.a. Harry Dean Stanton, „Alien“) in einer abgelegenen Hütte verstecken. Als die drei Viehtreiber Vern (Cameron Mitchell, „Blutige Seide“), Wes (Nicholson) und Otis (Tom Filer) unwissend ihr Nachtlager bei den Verbrechern aufschlagen, geraten sie mit der Umzingelung durch eine erbarmungslose Verfolgergruppe selbst in den Verdacht der Mittäterschaft. Vern und Wes gelingt, verfolgt vom Lynch-Mob die Flucht, auf der sie in der Not tatsächlich zu Gesetzlosen werden.

Der weit düstere und vielschichtigere „The Shooting“ zeigt den ehemaligen Kopfgeldjäger Willet Gashade (Warren Oates, „The Wild Bunch“), der zu einer kargen Mine zurückkehrt, die sein Bruder Coin mit dem minderbemittelten Coley (Will Hutchins, „Durchbruch auf Befehl“) und einem weiteren Partner betreibt. Vom nahezu paranoiden Coley erfährt Willet, dass sein Bruder im Alkoholnebel den Tod eines Kindes verschuldet hat. Als ihr Partner aus dem Hinterhalt erschossen wurde, ergriff Coin die Flucht. Kurz darauf heuert eine mysteriöse junge Frau (Millie Perkins, „Das Tagebuch der Anne Frank“) die beiden für 1.000 Dollar als ihre Begleiter auf ungewissem Wege an. Auf der zehrenden Odyssee stößt der von ihr angeheuerte Pistolero Billy Spear (Nicholson) zu ihnen, der den wahren Grund der Reise erahnen lässt.

Hellman, der auch Quentin Tarantinos Debüt „Reservoir Dogs“ produzierte, lotet in spröden Bildern (vor beeindruckender Naturkulisse) die zerstörerische Kraft der Gewalt aus. Simpel wirken auf den ersten Blick beide Werke, doch wohnt vor allem dem atmosphärisch unbehaglichen „The Shooting“ eine verstörende und subtil surreale Tiefgründigkeit inne. Nicholson, der bei beiden Filmen auch als Co-Produzent und bei „Ride in the Whirlwind“ zudem als Autor fungierte, bleibt in Gestik und Mimik sparsam. Überhaupt bleiben die recht dialogarmen Werke in Tonalität und Schauspiel spröde gehalten und nehmen auch in der schnörkellosen Direktheit die Strömung des New Hollywood, die Nicholson als Teil von „Easy Rider“ zum Star machen sollte, vorweg.

Die nahezu unbekannten und höchst individualistischen Western sind nicht zwingend für Genre-Fans zu empfehlen. Freunde schroffer Independent-Kost und Wertschätzer der alten Corman-Schule – bei „The Shooting“ strich Hellman zugunsten verschachtelter Erzählweise die ersten 10 Drehbuchseiten ersatzlos – erhalten mit diesem ungewöhnlichen Doppelpack aber intensive Einblicke ins Abseits des kollabierten Studiosystems in Hollywood. Bedauerlich bleibt nur die Abstinenz jeglichen Zusatzmaterials. In der Retrospektive hätten insbesondere Hellmans Erläuterungen einen unschätzbaren Mehrwert bedeutet.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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