Mögen sie in Frieden ruhen (I/D 1968)

moegen-sie-in-frieden-ruhenEinen ungewohnt kritischen Beitrag zum Spaghetti-Western steuerte Carlo Lizzani („Verflucht in alle Ewigkeit“) mit „Mögen sie in Frieden ruhen“ bei. Unter die Arme griff ihm dabei Regie-Legende Pier Paolo Pasolini („Die 120 Tage von Sodom“), das 1975 unter bis heute ungeklärten Umständen getötete Enfant Terrible des italienischen Kinos. Allerdings nicht hinter, sondern in Form eines seiner seltenen Gastspiele vor der Kamera. Mit Franco Citti („Bett der Gewalt“) und Ninetto Davoli („Der Schweinestall“) standen ihm dabei zwei Darsteller zur Seite, die er wiederholt in seinen eigenen Werken besetzte. In seiner Rolle als mexikanischer Prediger verleiht Pasolini der Handlung Züge, die Ausbeutung und profitorientierten Massenmord anprangern.

Doch ist der schauspielernde Filmemacher, gerade in der deutlich handlungsärmeren deutschen Fassung, nur eine Nebenfigur. Der Hauptpart gehört Lou Castel („Der amerikanische Freund“), der vom Extra in Viscontis „Der Leopard“ bis heute in mehr als 100 Rollen schlüpfte. Castel ist Requiescant, ebenfalls Mexikaner und einziger Überlebender eines grausamen Massakers: Unter tatkräftiger Beihilfe des amerikanischen Militärs entledigte sich Unternehmer Ferguson (Mark Damon, „Der längste Tag“) einst revoltierenden Mexikanern, die im Grenzgebiet Ansprüche auf die Bewirtschaftung des eigenen Landes stellten. Dies aber passte nicht ins Expansionsprinzip des Schurken, der die zum Frieden geladenen Wiederständler kurzerhand mit Blei füllen ließ. Den von einem Kopfschuss gezeichneten Resquiescant, damals noch im Kindesalter, ereilt in der Folge Amnesie – und die Rettung durch die Familie eines fahrenden Betbruders.

Jahre später ist aus der Vollwaise ein gottesfürchtiger Bursche geworden. Der weiß nichts von der Welt und ist allseits in Naivität gehüllt, hat aber ein Auge auf Princy (Barbara Frey, „Kopfgeld für Ringo“), die Tochter seiner Ersatzeltern, geworfen. Als es diese ins aufregende Leben jenseits der Predigerkutsche treibt, begibt sich der Adoptivbruder auf die Suche. Dabei entdeckt er rasch sein Talent als Pistolenschütze und befördert in loser Folge unliebsame Zeitgenossen in Jenseits – natürlich nicht ohne anschließendes Gebet. Warum er die Treffsicherheit für sich gepachtet hat, bleibt sein Geheimnis. Aber wie es der Zufall und die stattliche Zahl von zehn Autoren so will, verschlägt es Resquiescant ausgerechnet ins Städtchen San Antonio. Und dort findet sich nicht nur Princy, sondern auch Ferguson – sie verdingt sich als Mädchen im Hurenhaus des despotischen Dean Light (Ferruccio Viotti, „Django – Sein Colt singt sechs Strophen“), er ist Herrscher über das Umland.

„Mögen sie in Frieden ruhen“ begeht ungewöhnliche, mitunter gar verschlungen surreale Wege. Das verdeutlicht allein Bösewicht Mark Damon. Der ist nicht nur mit deutlicher Gesichtsblässe und blutunterlaufenden Augen gesegnet, sondern scheint über die Jahre auch kaum gealtert. Doch befinden wir uns nicht in den Karpaten, sondern im Wilden Westen. Und der ist nun mal nicht von Nachtalps gesäumt, sondern von harten Kerlen. Doch auch dahingehend zeigt der Film eigenwillige Tendenzen. Revolverheld Lou Castel ist nicht der Fremde ohne Namen, er ist der gottesfürchtige Naivling mit Schlafzimmerblick und flinkem Finger am Abzug, der sein Pferd mit der Bratpfanne antreibt. Welch gesegneter Schütze er ist, zeigt sich bei einem Duell in Fergusons Partykeller, bei dem es gilt brennende Kerzen von einem Leuchter zu schießen, den eine junge Frau in der Hand hält.

Obwohl der Film über amüsante Nuancen verfügt, überwiegen die ernsten Töne. Auch bei der Musik, die Riz Ortolani („Cannibal Holocaust“) – hier unter dem Pseudonym Roger Higgins – zwischen zittriger Ungeduld und kirchlicher Andacht komponierte. Um die posttraumatische Gedächtnislücke seines abstrakten Helden zu schließen lässt ihn Carlo Lizzani an die Schicksalsstätte seiner Kindheit zurückkehren. Kaum haben die Gebeine der Opfer Licht ins Dunkel der Vergangenheit gebracht, geht es den Übeltätern auch schon an den Kragen. Denn aus dem Mörder in Notwehr wird fortan der Mörder mit Vorsatz. Behilflich sind ihm dabei die verbliebenen Revoluzzer, die, angeführt von Pasolini, ihr Scherflein zum Sturz der feigen Mörder beitragen. Ein besonderes Los wird dabei Dean Light zuteil, der sich mit Resquiescant ein Duell am Galgenstrick liefern muss. Für Freunde des Genres eine echte Entdeckung.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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