Misery (USA 1990)

miseryPsycho-Terror als Kammerspiel. Für einen Roman, gerade von Stephen King, wahrlich keine Schwierigkeit. Für einen Film hingegen schon. Denn der muss Schauspieler aufbringen, die das Innere der Figuren nuanciert nach außen tragen und inszenatorisch doch den Ansprüchen des klassischen Erzählkinos genügen. Bei „Misery“ holte man sich dafür bekannte Namen ins Boot. James Caan („Rollerball“), charismatischer Actionstar der Siebziger, und Charakterdarstellerin Kathy Bates („Grüne Tomaten“) für die Hauptrollen, Rob Reiner, der bereits Kings „Stand by Me“ erfolgreich auf die Leinwand gebracht hatte, führte Regie.

Reiner, eher bekannt für Komödienkost á la „Harry und Sally“ pflegt einen visuell unauffälligen wie unspektakulären Stil. Für besagtes Kammerspiel ist das mitunter zu wenig, erweist sich für die beiden Akteure jedoch als Glücksfall. Denn ohne visuelle Mätzchen bleiben ihre Performances in einen kalkulierbaren Rahmen, ähnlich der Bühne im Theater, gebettet, der es ihnen ermöglicht das ganze Gewicht auf die von ihnen verkörperten Protagonisten zu werfen. Bei Bates funktionierte das so gut, dass sie für ihre Darbietung den Oscar als beste Hauptdarstellerin erhielt.

Und wie furios sie als ehemalige Krankenschwester und perfide Psychopathin Annie Wilkes aufspielt, die im verschneiten Bergland eines Tages den schwer verunglückten Starautor Paul Sheldon (Caan) aus seinem Auto befreit. Sie, nach eigenen Aussagen auch noch der größte Fan seiner trivialen Romanfigur Misery, bringt ihn in ihre abgelegene Hütte und pflegt ihn. Auf dem Weg der Besserung gestattet er ihr, sein neues Manuskript zu lesen, das Finale der Misery-Reihe. Über den tragischen Tod der Heldin aber zeigt Annie ihr wahres Gesicht. Sie zwingt Sheldon das Buch zu verbrennen und lässt ihn unter Zwang die Wiederauferstehung texten.

Hilfe von außen ist nicht zu erwarten, hat Annie die Präsenz ihres Gastes doch beharrlich verschwiegen. Zweifel kommen nur dem alternden Sheriff McCain (Richard Farnsworth, „Straight Story“), der, als der verlassene Wagen Sheldons gefunden wird, nicht an die behördliche Version eines Kältetods glauben mag. Jedoch bleibt er lediglich Beiwerk, denn die ruhige, bestimmt erzählte Geschichte gehört allein dem in Liebe (Annie) und Hass (Paul) verbundenen Duo in der Berghütte. Die Spannungsschraube wird langsam angezogen, über Ausbruchsversuche aus dem verschlossenen Zimmer, das Traktat seines Körpers. Bis sich am Ende doch noch Gelegenheit bietet, den Spieß umzudrehen. Ein nervenzerrender, intensiv gespielter Thriller auf engem Raum – und ein verdienter Klassiker.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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