Midnight in Paris (USA/E 2011)

midnight-in-paris„500 francs for a Matisse? Yeah, I think that sounds fair! You know, I wonder if actually I can pick up six or seven?” – Erliegt den Reizen der Vergangenheit: Gil

Nach all seinen filmischen Liebeserklärungen an New York packt Woody Allen („Manhattan“) auf seine alten Tage das Fernweh. Vier seiner letzten sechs Filme drehte der neurotische Independent-Altmeister in London, dazu einen in Barcelona (und Asturien). Mit der märchenhaft romantischen Komödie „Midnight in Paris“ fügt er nun auch die französische Seine-Metropole zum Fundus der von ihm traumhaft inszenierten Stadtpanoramen hinzu. Dies tat er zwar peripher bereits im Musical „Everyone Says I Love You“ (1996), dort allerdings ohne die allgegenwärtig pulsierende Vitalität.

Von der fasziniert, ja geradezu besessen, ist der renommierte Hollywood-Autor Gil Pender, in dessen Rolle Owen Wilson („Darjeeling Limited“) spielfreudig zu Allens Alter Ego wird. Gelegentlich darf er in vor Wortwitz sprühenden Dialogzeilen an die großen Zeiten des Filmemachers erinnern. Aber die partiell aufblitzende Bissigkeit ist mehr eine Art verwachsene Gewohnheit. Allens Spätwerk vermittelt mehr und mehr den Eindruck, als sei der 76-jährige mit sich im Reinen. So inszeniert er Gils Sinnsuche vor malerischen Stadtkulissen als federleichte Burleske frei von jeder dramatischen Schwere.

Von der Oberflächlichkeit Hollywoods erschöpft, widmet sich der in Gedanken bevorzugt in die Neunzehnzwanziger schweifende Gil seinem ersten Roman. Er äußert gar den Wunsch, Amerika den Rücken zu kehren und in Paris den Neuanfang zu wagen. Diese romantische Ader kann seine oberflächlich snobistische Verlobte Inez (spielte mit Wilson bereits in „Die Hochzeits-Crasher“: Rachel McAdams) allerdings ebenso wenig teilen wie Gils Faible für Spaziergänge im Regen. Sie gibt sich lieber dem Expertenwissen des blasierten Intellektuellen Paul (Michael Sheen, „Frost/Nixon“) hin.

Bei einem nächtlichen Streifzug durch Paris wird Gil von einem alten Taxi eingesammelt und zu einer Party chauffiert. Dort trifft er auf Scott und Zelda Fitzgerald (Tom Hiddleston und Alison Pill), Ernest Hemingway (Corey Stoll) und andere längst verstorbene kreative Berühmtheiten. In den folgenden Nächten kehrt er als Zeitreisender in die von ihm verehrten 20er-Jahre zurück, erhält schriftstellerischen Rat von Getrude Stein (Kathy Bates, „Misery“) und verliebt sich in Picassos Muse Adriana (Marion Cotillard, „La Vie en Rose“). Allerdings ist auch sie stark auf die Vergangenheit, genauer die Belle Époque fixiert.

Gils Romanze im Vorgestern inklusive finaler, märchenhaft moralischer Konzentration auf die Gegenwart und die Handhabung der bornierten Inez erzählt Woody Allen mit Herz, Hingabe und gewohnt tollem Ensemble. Neben Frankreichs Präsidentengattin Carla Bruni zählt dazu auch Adrien Brody („Der Pianist“) als Salvador Dalí. Die amüsant redselige Verkettung von Begegnungen des sympathisch schusseligen Owen Wilson mit Künstlerlegenden gerät zum traumwandlerisch leichtfüßigen Filmvergnügen. Sicher nicht Allens wichtigstes Werk, dafür aber eines seiner schönsten.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

 

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