Die im Jahre 1990 entstandene Krimi-Groteske „Miami Blues“, basierend auf einem Roman des amerikanischen Autors Charles Willeford, sollte ursprünglich von Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer“) inszeniert werden. Doch übertrug der die Verantwortung lieber seinem Kumpel George Armitage („Grosse Point Blank“), der auch die Adaption der Vorlage zum Drehbuch übernahm, und fungierte stattdessen lieber als Co-Produzent. Der launige Genre-Mix erzählt die Geschichte von Frenger Junior (Alec Baldwin, „Glengarry Glen Ross“). Der landet zu Beginn, frisch aus dem Knast entlassen, am Flughafen von Miami, wo er erst einmal einer schlafenden Frau den Koffer mopst und einem aufdringlichen Krishna-Jünger den Finger verbiegt.
Dass dieser durch den Schock ungewollt ins Nirvana entschwebt, stört den cholerischen Klein-Gangster herzlich wenig. Denn Junior will ausschließlich seine neu erworbene Freiheit in vollen Zügen genießen. So quartiert er sich unter falschem Namen in einem luxuriösen Hotel ein und bandelt schon bald mit der naiven Prostituierten Susie (Jennifer Jason Leigh, „Hitcher – Der Highway-Killer“) an, die ihren Körper lediglich verkauft, um ihr Studium finanzieren zu können! Doch schon bald klopft der Ärger in Gestalt des verlotterten, in ständigem Clinch mit seinem Gebiss befindlichen Polizisten Hoke Moseley (Fred Ward, „Die letzten Amerikaner“) an Juniors Tür. Der fühlt sich durch die Belästigung des Staatsdieners provoziert und stattet ihm bald darauf einen Besuch ab, nach dem Moseley in der Notaufnahme landet. Junior wiederum macht sich mit dessen Polizeimarke, Dienstwaffe und falschen Zähnen (!) aus dem Staub, um Bulle zu spielen.
Was folgt ist feinster Thriller-Pulp aus der Prä-Tarantino-Ära. Denn während der gewalttätige Ganove mit Vorliebe andere Kriminelle um ihre Beute erleichtert, sinnt Moseley auf Rache. Dabei spinnt Armitage die schwarzhumorige Posse in 93 kurzweiligen Minuten um den bis zum bitteren Ende mit sichtlicher Spielfreude agierenden Hauptdarsteller (und wandelden Brusthaarteppich) Alec Baldwin. Ohne jede Identifikationsfiguren und frei von Klischees inszeniert, schafft es der Regisseur in durchweg unspektakulären Bildern eine stimmige Atmosphäre zu kreieren, die durch die recht eigenwillige Kameraführung und den kauzigen Humor vielfache Bestätigung erfährt.
Unterstützt wird er dabei von munter agierenden Nebendarstellern, allen voran den nicht minder starken Jennifer Jason Leigh und Fred Ward. Neben ihnen sind es B-Gardist Charles Napier („Maniac Cop 2″) und Paul Gleason („Breakfast Club“), die das fiese Thriller-Kleinod bereichern. Durch das Zusammenspiel der krassen, recht eigenwilligen Auffassung von Moral und grotesker Übertreibung erhält der Film eine individuelle Note mit tragischen Zwischentönen. Wenn Moseley während einer Autoverfolgung durch eine rote Ampel unterbrochen wird und, anstatt wie üblich die Sirene aufs Dach zu schnallen und loszubrettern, hinter dem Steuer eine Banane schält, dann weiß man, was man an „Miami Blues“ hat. Ein überaus empfehlenswertes Werk, dessen Suche die Mühe definitiv wert ist.
Wertung: (7,5 / 10)