In den 80ern und frühen 90ern beeinflusste der chinesische Filmemacher John Woo mit Klassikern wie „A Better Tomorrow“ oder „The Killer“ nachhaltig das moderne Actionkino. Der langsame – wenn auch stetige – Absturz kam mit dem Standortwechsel Richtung Hollywood. „Hard Target“ war ein seelenloses Action-Vehikel, ging aber noch durch, wenngleich Woo wie so häufig mit der Zensur zu kämpfen hatte. Erst mit „Im Körper des Feindes“ konnte sich Woo in Hollywood endgültig etablieren, gilt der Film doch mithin als einer der besten Actionfilme der 90er. Der kommerzielle Erfolg bescherte ihm den Regiestuhl für die Fortsetzung des DePalma-Erfolges „Mission: Impossible“. Für Hauptdarsteller Tom Cruise war der Film zweifelsfrei ein Erfolg, der Schaden für das künstlerische Ansehen von Woo jedoch unübersehbar.
Der Elite-Geheimdienstler Ethan Hunt (Tom Cruise) wird auf seinen ehemaligen Weggefährten Sean Ambrose (Dougray Scott) angesetzt, der in den Besitz einer biologischen Waffe gekommen ist. Dessen alte Liebe Nyah (Thandie Newton) soll sich als Informantin bei Ambrose einschleichen und Hunt mit den notwendigen Informationen versorgen. Zwischen Hunt und Nyah spielen die Gefühle verrückt, gleichzeitig kommt Ambrose den beiden schnell auf die Schliche.
Die filmische Umsetzung der bekannten TV-Serie mündete 1996 in einem raffinierten Thriller, umgesetzt von Altmeister Brian DePalma. Der Erfolg kam vor allem Tom Cruise zu gute, der in der Fortsetzung auch als Produzent fungierte. Woo war für den zweiten Teil stets seine erste Wahl, so ließ Cruise mehrfach verlauten. Dieser allerdings verkommt inmitten des völlig hanebüchenen Action-Gewitters zum bloßen Reißbrettprodukt seiner selbst. Woo definierte das Action-Kino neu. Melancholie paarte sich mit perfekt in Szene gesetzten Actionsequenzen, die mitunter einem blutigen Ballett ähnelten. Dies funktionierte in Hong Kong wunderbar, in Hollywood verlor Woo dagegen jegliche Identität.
Bestach der Vorgänger durch einen noch dezent und glaubwürdig auftretenden Tom Cruise, so rückt „M:i-2“ diesen jederzeit in epochalem Ausmaß in den Vordergrund. Oder er sich selbst, wie man es sehen mag. Eine klassische Agentenstory von Verrat und doppeltem Boden wurde komplett außer Acht gelassen, der Plot spricht ausnahmslos die niederen Instinkte filmischen Anspruchs an. Die Figur des Ethan Hunt wird – vor allem im Gegensatz zum gelungenen Vorgänger – derart überstilisiert, dass die gnadenlose Selbstbeweihräucherung von Cruise schnell ins Bodenlose ufert. Glanz versprüht niemand, weder die puppenhafte Thandie Newton („L.A. Crash“) noch der farblose Bösewicht Dougray Scott („Dark Water“). Was Anthony Hopkins („Das Schweigen der Lämmer“) zu seiner Mini-Rolle gebracht hat, weiß womöglich nur er selbst.
Für den Ottonormalverbraucher wirkt die pompös inszenierte Action sicherlich herausragend, allerdings kann dies die mangelnde Ideenvielfalt des Filmemachers Woo nicht kaschieren. Eine völlig unsinnige Verfolgungsjagd zwischen Cruise und Newton soll an einen elegant aufgeführten Tanz erinnern, später werden Motorräder zum Spielball ihrer vor Testosteron berstenden Überfahrer. Die zahlreichen Shoot-Outs wurden von Woo vorsorglich auf angepasstes Mainstream-Niveau gestutzt. Durch die Verwendung gewohnter Stilmittel (Zeitlupen, Tauben) karikiert er sich in diesem Kontext jedoch quasi selbst.
Mit „M:i-:2“ hat das kongeniale Duo Tom Cruise/John Woo einen Werbefilm für seinen Hauptdarsteller kreiert. Optimal im Bild positioniert mag ersterer mit dem Produkt glücklich sein, mehr Selbstdarstellung ist jedoch nicht mehr möglich. Woo dagegen hat nur vorläufig seinen Tiefpunkt erreicht, dass es noch farbloser als hier ging, bewies er später mit „Paycheck“. Hollywood Hochglanz auf flachster Ebene, auf jegliche Schönfärberei darf getrost verzichtet werden.
Wertung: (4 / 10)