Südkorea, Mitte der 80er Jahre. In einer abgelegenen Provinz sind bereits zwei Morde an jungen Frauen verübt worden, ein sexueller Hintergrund ist offensichtlich. Die hiesige Polizei tappt im Dunkeln, allerdings tragen die Ermittlungsmethoden des Polizisten Park (Kang-ho Song) nicht zu einer raschen Aufklärung des Falls bei. Während sein Partner eher der dumpfe Schläger im Hintergrund ist, gibt es bei Parks Fähigkeiten seinem eigenen Bekunden nach allerdings keine Probleme, er hat quasi den Blick für das gewisse Etwas. Die Tatorte werden aber durch die Inkompetenz der Behörden von allen möglichen Spuren beseitigt und um den Fall abschließen zu können, muss kurzerhand ein geistig zurückgebliebener als Täter herhalten.
Der aus Seoul hinzugekommene Polizist Seo (Sang-kyung Kim) sieht die Sache jedoch anders und hält von den fingierten Methoden seiner Kollegen nicht viel. Er ist der einzige, der richtig nach Spuren sucht, versucht Tathergänge zu rekonstruieren und macht – allem Widerstand zum Trotz – darauf aufmerksam, dass es nicht bei diesen beiden Opfern bleiben wird. Tatsächlich wird bald die nächste tote Frau geborgen, die wie die anderen Opfer in einer Regennacht dem Mörder zum Opfer fiel, rot bekleidet war und am gleichen Abend im Radio dasselbe seltene Lied wie bei den anderen auch gespielt wurde. Die drei Polizisten klammern sich an jeden noch so kleinen Strohhalm, doch immer wenn sie den vermeintlichen Täter scheinbar gefunden haben, muss ihre Suche von neuem beginnen.
Die von Regisseur Bong Joon-Ho hier berichtete Geschichte trug sich tatsächlich zu, die hier erzählten Geschehnisse lassen den Fall so erscheinen, wie er sich wirklich zugetragen hatte. Denn ein Mörder wurde nie gefasst. So endet auch dieser Film, abseits jeglicher Konventionen und für normale Thrillerfans oder Hollywood-Puristen sicherlich unverständlich. Es gibt keine Helden, es gibt Opfer, aber keinen Täter. Kevin Spacey stellte sich in David Finchers Meisterwerk „Sieben“ – nachdem man auch ihn vorher nie richtig zu Gesicht bekam – selbst, doch hier wird der Zuschauer ganz allein gelassen und einen Mörder bekommt man höchstens als dunkle Gestalt zu sehen. Die Hilflosigkeit der Polizei überträgt sich zwangsweise so auch auf den Betrachter, ein Geniestreich des Machers, wenn man es so will.
Atmosphärisch kann „Memories of Murder“ durchweg überzeugen, die verlassenen wie verregneten Feldwege der südkoreanischen Provinz geben eine bedrohliche Umgebung ab. Es wird allerdings weniger auf Schockmomente gesetzt, vielmehr beschleicht einen der Grusel auf subtile Art und Weise, exzessive Gewaltdarstellungen oder Mörder-jagd-Opfer-Sequenzen sind eher selten. Der Schrecken wird nur einmal in etwas längeren Szenen gezeigt, als ein Opfer allein einen Feldweg entlanggeht und nach einigen Geräuschen mit der Taschenlampe über das dunkle, verregnete Gras fährt. Was der Film hier an Spannung aufbaut und freisetzt, stellt allein jeden x-beliebigen Versuch der Traumfabrik locker in den Schatten.
Maßgeblich tragen die Schauspieler zu diesem weit über dem Durchschnitt liegenden Film bei, denn „Memories of Murder“ ist nicht einfach nur ein Thriller, sondern gleichzeitig auch Charakterstudie in einem. Die örtlichen Polizisten, primär dargestellt vom kongenialen Kang-ho Song, der bereits in Chan-Wook Parks „Sympathy for Mr. Vengeance“ eine überzeugende Performance darbot, bestechen eher durch Handlungsunfähigkeit als durch Können. Mehr als einmal versucht er mit aller Kraft und fingierten Beweisen, Unschuldige als Mörder zu präsentieren. Erst im Verlauf der Ermittlungen lernt er quasi seinen Beruf aufs neue und offenbart einen ähnlichen Ehrgeiz wie sein neuer Kollege, gespielt vom nicht minder überzeugenden Sang-kyung Kim. Dieser ist der aufrechtere Polizist, der mit Eifer und Wissen versucht, den Mörder zu fassen und der die illegalen Methoden seines Kollegen alles andere als schätzt.
Doch beide raufen sich irgendwie zusammen und die Methoden beider verschwimmen mehr und mehr, bis es Sang-kyung Kim selbst ist, der gen Ende einfach nur das Kapitel beenden will und es nicht fassen kann, mit leeren Händen darzustehen. Dass seit einiger Zeit die besten Filme aus Fernost kommen, sollte mittlerweile bekannt sein. Dies hat auch Hollywood in der Zwischenzeit erkannt und verfilmt munter alles, was im dortigen Horror-Genre erfolgreich ist, einfach neu. „Memories of Murder“ steht anderen großen Namen in nichts nach und ist schlicht ein hervorragender Thriller, der wieder einmal die Eigenständigkeit des fernöstlichen Kinos unterstreicht und durch eine unglaubliche Atmosphäre besticht.
Wertung: (8 / 10)