Wenn man dem französischen Horrorfilm der letzten Jahre eines nicht vorwerfen kann, dann wäre dies mangelnde Konsequenz. Was mit Alexandre Ajas „High Tension“ begann, findet seinen vorläufigen Höhepunkt nun in „Martyrs“ von Pascal Laugier. Dabei aber hat „Martyrs“ mit den Gewaltorgien wie „Frontier(s)“ oder „Inside“ der letzten Jahre gar nicht so viel gemeinsam. Wenn, dann muss vielmehr hier ein Film wie „Irreversible“ genannt werden. Wobei „Martyrs“ noch verstörender wirkt. Und verstörend ist das einzig richtige Wort für diesen Film.
Im Jahre 1971 kann ein junges Mädchen seinen offensichtlichen Peinigern nach längerer Folter entkommen. Lucie – so ihr Name – wird in eine Klinik eingeliefert und lässt dort nur die gleichaltrige Anna an sich heran, mit der sie sich anfreundet. Doch ihre Ängste wird das Mädchen nicht los. Fünfzehn Jahre später sitzt eine vierköpfige Familie am Frühstückstisch. Es klingelt, der Vater öffnet und blickt in den Lauf einer Schrotflinte. Sekunden später liegt er hingerichtet auf dem Boden. Zwei Minuten später ist die gesamte Familie tot. Die Täterin ist Lucie.
Dies deckt jedoch nicht einmal das erste Drittel von „Martyrs“ ab. Allerdings wäre jede weitere Information zu viel des Guten. Was zu Beginn nach gewohnter Horror-Kost ausschaut, entpuppt sich im weiteren Verlauf zu einem Alptraum aus Leid und Schmerz. Physisch wie psychisch. Ein einfaches Unterfangen ist „Martyrs“ nämlich beileibe nicht, zu sehr zehrt er an den Nerven, schockiert und verstört. Der häufig zitierte „Schlag in die Magengrube“ dürfte sich in etwa so anfühlen. Mit den typischen Torture-Porn-Machwerken der letzten Jahre hat „Martyrs“ nichts am Hut. Folter ja, aber auf einer ganz anderen Ebene. Hier sind es keine Freaks, die aus Lust töten und foltern, hier steckt eine bestimmte Absicht dahinter.
Das Arbeitsgerät der Folter ist hier vor allem der bloße Einsatz des eigenen Körpers. Seine Wirkung verfehlt dies allerdings mitnichten, was das letzte Drittel des Films beweist. Bis dahin gibt es den recht rigorosen Einsatz diverser Einsatzmittel, was aber wiederum für den Film spricht. Denn Haken schlägt Laugier einige. Stets ist er imstande, sich komplett zu drehen, inhaltlich wie auch in der Darstellung seiner Gewalt. Je mehr der Film allerdings auf sein Ende hinsteuert, umso mehr verliert er an Reiz. Der finale Akt wirkt zu albern und unnütz, mag nicht ganz ins Konzept passen. Dies ist aber nicht der einzige Grund, warum Kritik angebracht ist. Denn was will uns Pascal Laugier nun eigentlich prinzipiell mitteilen? Der Film vermittelt keine Botschaft. Es geht ausschließlich um Schmerz und Leid. Den pseudo-philosophischen Ansatz hätte er sich getrost sparen können.
Dem gegenüber stehen die schauspielerischen Leistungen von Mylène Jampanoï als Lucie und vor allem Morjana Alaoui als Anna, die einfach genannt werden müssen. Vor allem mit letzterer muss man einfach eines haben, nämlich Mitleid. Und bei ihrer intensiven Darstellung nimmt man ihr den Schmerz jederzeit ab. Kontroversen sind vorprogrammiert, denn „Martyrs“ dürfte die gesamte Bandbreite verschiedenster Meinungen abfedern. Ob aber nun Meister- oder perverses Machwerk, eine gerechte Einschätzung fällt schwer. Die Tendenz geht zu Meisterwerk, denn abwenden kann man sich bei aller Abscheu doch nicht. Spaß aber sieht anders aus, da sollte man zu „Frontier(s)“ greifen.
Wertung: (7 / 10)