Ohne den Zuspruch und die Unterstützung Pedro Almodóvars („Alles über meine Mutter“) hätte die Karriere des Álex de la Iglesia wohl nicht so rasante Fahrt aufgenommen. Altmeister Almodóvar, Galionsfigur des nach der Demokratisierung Spaniens im Jahre 1977 wiedererweckten nationalen Kinos, produzierte 1993 „Aktion Mutante“, de la Iglesias Langfilmdebüt. Die blutige Trash-Groteske verschaffte ihm Aufmerksamkeit, die durch den wüsten, in Mexiko und den USA gedrehten Pulp-Thriller „Perdita Durango“ (1997) noch verstärkt wurde.
Aber der eigenwillige Filmemacher blieb seiner Heimat treu. „Mad Circus“, sein mittlerweile zehnter abendfüllender Spielfilm kehrt zu den Wurzeln von Almodóvar und Spaniens kritischem Polit-Kino zurück. Wenn auch in jener für de la Iglesia stilprägend entfesselten Manier. Der komplexe, höchst individualistisch erzählte Genre-Mix verbindet politische Satire mit Kriegsfilm, Drama und Romanze. Im Mittelpunkt steht Javier (Carlos Areces, „Extraterrestre“), der in den Siebzigern, noch vor dem Tode Francos, als Erwachsener in die Fußstapfen seines Vaters tritt und Zirkusclown wird. Im Gegensatz zu seinem alten Herren verfügt er jedoch über wenig komisches Talent.
Javier ist ein trauriger Clown und als solcher Projektionsfläche für die Streiche und Demütigungen seines lustigen Manegen-Partners. Ursprung seiner tief verwurzelten Traurigkeit sind Erlebnisse aus dem Bürgerkrieg. 1937 wurde sein Vater noch kostümiert direkt aus der Manege gezerrt, zwangsrekrutiert und in den Kampf gegen Franco geschickt. Er endete als politischer Gefangener. Den einzigen Ratschlag, den er seinem Sohn vor dem vorzeitigen Tode noch geben konnte, ist simpel: Rache! Davon ist erst mal wenig zu spüren, als er in der erzählerischen Gegenwart beim Zirkus anheuert und Partner des beliebten Spaßmachers Sergio (Antonio de la Torre, „Neon Flesh“) wird.
Abseits der Manege entpuppt sich dieser jedoch als cholerischer Tyrann, der das Leben seiner Geliebten, der Seiltänzerin Natalia (Carolina Bang), zur Hölle macht. In sie verliebt sich auch Javier und setzt bald alles daran, sie aus den Klauen des Unmenschen zu befreien. Doch ist das lediglich der Auftakt einer zunehmend zügellosen Odyssee, die mit gelungenem Zeitkolorit, (film-)historischen Anspielungen und blutiger Gewalt verstört und zugleich begeistert. Nachdem Javier den Nebenbuhler entstellt hat, flieht er in die Wälder, gerät an einen rachsüchtigen Offizier und wird als Jagdhund (!) gehalten – bis er in einer der skurrilsten Szenen Franco persönlich in die Hand beißt.
Vom Wahnsinn gepackt, beherzigt er schlussendlich den väterlichen Vergeltungs-Ratschlag, verwandelt sich mit Säure, Bügeleisen und religiöser Aufmachung in einen schwer bewaffneten Todesgesandten und macht sich auf, Natalia endgültig von ihrem Schicksal zu befreien. Klassisch konventionelle Pfade lässt Álex de la Iglesia einmal mehr konsequent hinter sich und serviert schlussendlich eine Monument-Erklimmung in Hitchcock-Manier, an deren Ende der lachende und weinende Clown im Schmerz vereint werden. In seinem überbordenden Symbolismus und der überspitzten Tragik wird „Mad Circus“ so zum Fest für Freunde exzentrisch extraordinärer Filmkunst.
Wertung: (7,5 / 10)