Mit „Lost Heaven“ ist nun auch endlich das großartige Kinodebüt von Regisseur Peter Care, der zuvor lediglich Filme über Musiker wie Bruce Springsteen oder R.E.M. gemacht hatte, bei uns erschienen. Der von Jodie Foster und ihrer Firma Egg Films produzierte Streifen wurde bereits 2000 gedreht, jedoch erst in diesem Jahr fertiggestellt. Die Ursache ist „Spawn“-Schöpfer Todd McFarlane, der für die aufwändig gestalteten Animationssequenzen mehr Zeit benötigte als ursprünglich beabsichtigt.
Angesiedelt ist das Drama um Freundschaft und die Bürde des Erwachsenwerdens im North Carolina der 70er Jahre. An einer katholischen Schule hat Schwester Assumpta (Jodie Foster) alle Hände voll zu tun, die Schülerschaft von Versuchung und Sünde fernzuhalten. Die strenge Schulleiterin, aufgrund ihres Holzbeines bei den Kindern nur „Hinkebein“ genannt, erscheint Francis (Emile Hirsch), Tim (Kieran Culkin) und ihren Freunden kaum förderlich bei der Bewältigung alltäglicher Probleme. In dieser vom Kreuz dominierten Umgebung lässt der kreative Francis all sein Gefühlsleben im Zeichnen von Comics aus, in denen Schwester Assumpta zur motorisierten Höllennonne mutiert und von den Superhelden der „Atomic Trinity“ den Krieg erklärt bekommt.
Um der Tristesse des Kleinstadtlebens zu entkommen, hecken die Jungs manch einfallsreichen streich aus und entwenden zum Beispiel die Statue der heiligen Agatha, Schutzpatronin der Schule. Daneben lernt Francis auch die Liebe kennen, mit all den Freuden und all dem Schmerz. Als der Comic, angereichert mit Sex und Gewalt, schließlich in die Hände der Schulleitung gelangt, droht Francis und Tim der Verweis. Jugendlicher Leichtsinn, streng katholische Sanktionierung und der Hang zur Rebellion gegen den Alltag und die Obrigkeit der Erwachsenen münden letztlich in eine Katastrophe.
Filme über die Qualen des Heranwachsens gibt es viele. Doch kaum einem gelingt es auf solch ehrliche und eindringliche Weise, die Probleme Jugendlicher zu vermitteln wie „The Dangerous Lives of Altar Boys“, so der Titel im Original. Das sensibel erzählte und mit viel melancholie getränkte Independent-Drama lebt vom hervorragenden Zusammenspiel der jungen Akteure, Erwachsene erscheinen mehr als Randfiguren. Nicht nur deshalb erinnert der Film in wesentlichen Zügen an Rob Reiners „Stand By Me“ oder Philip Ridleys „Schrei in der Stille“. Beeindruckend ist vor allem die Leistung von Emile Hirsch, der hier ein starkes Debüt abliefert und auf ganzer Linie zu überzeugen weiß. Daneben glänzen Kieran Culkin („Music of the Heart“), kleiner Bruder des einstigen Kinderstars Macauly und Jena Malone („Donnie Darko“), die die geschundenen Teenagerseelen ebenfalls mit Bravour zu verkörpern wissen.
Am Rande liefert die zweifache Oscar-Preisträgerin Jodie Foster („Das Schweigen der Lämmer“) eine solide Leistung als behinderte Nonne mit meist zusammengepressten Lippen ab. Hinter gehörigem Bartwuchs versteckt sich noch Vincent D’Onofrio („The Cell“) als Priester. Alles in allem ein in höchstem Maße empfehlenswerter Film, der sich differenziert mit den Problemen seiner Protagonisten auseinandersetzt, ohne je schwülstig oder aufgesetzt zu wirken. Die eingestreuten Comicsequenzen mögen für Zuschauer älteren Jahrgangs einiger Gewöhnung bedürfen, unterstreichen aber die Botschaft des Dramas über die Wichtigkeit kindlicher Fantasie. Es wäre schön, öfter solch ehrliches Kino aus der Heimat der kommerzorientierten Filmindustrie serviert zu bekommen.
Wertung: (8 / 10)