Livid – Das Blut der Ballerinas (F 2011)

livid-das-blut-der-ballerinasAuch wenn der Boom des französischen Splatterfilms allmählich abflaut, wecken die abgründigen europäischen Blutbäder noch immer deutlich mehr Interesse als der x-te Aufguss amerikanischer Standard-Gemetzel. Denn im Stile alter (US-)Klassiker schaffen es französische Filmemacher zumeist überzeugender, übertriebene Gewaltszenarien mit der dazugehörigen Ausweglosigkeit zu unterfüttern. Man könnte auch behaupten, ihre Werke seien kunstvoller gestaltet und nicht augenblicklich als Abziehbilder bekannter Vorreiter zu identifizieren. Partiell offenbart dies auch „Livid“, geschrieben und inszeniert von Alexandre Bustillo und Julien Maury.

Deren ultrabrutales Debüt „Inside“ sorgte weltweit für Aufsehen. Der zweite Film des Duos beginnt schwermütig, mit Blick für Milieus und gesellschaftliche Problemfelder. Getragen wird der Plot von der jungen Lucie (Chloé Coulloud, „Gainsbourg – Der Mann, der die Frauen liebte“), die ein Praktikum bei Kranken- und Altenpflegerin Catherine (Catherine Jacob, „Tante Danielle“) absolviert. In einem heruntergekommenen Anwesen wird die junge Frau auf eine berühmte Tanzlehrerin aufmerksam, die greis und gebrechlich im Koma liegt und Bluttransfusionen erhält. Als Catherine der Neugierigen Lucie von einem Schatz erzählt, der im Haus verborgen sein soll, nimmt das Grauen seinen Lauf.

Lucies Freund, der mittellose Fischer William (Félix Moati, „LOL (Laughing Out Loud)“) regt einen nächtlichen Einbruch an, für den auch sein Bruder Ben (Jérémy Kapone, „Die Vermessung der Welt“) eingespannt wird. Nach anfänglichem Zögern willigt Lucie in den Plan ein. Doch im Haus angekommen, erwartet die drei eine übersinnliche Gefahr für Leib und Leben. Plötzlich sind alle Ausgänge versperrt und die komatöse Tanzlehrerin erweist sich als durchaus fidele Schreckgestalt, in deren Vergangenheit ein grausames Geheimnis verborgen liegt. Allerdings dauert es eine ganze Weile, ehe die betulich ausgebreitete Milieuschilderung in blanken Horror umschlägt.

Mit Anleihen bei Mystery- und Haunted House-Grusel setzen Bustillo und Maury mehr auf Suggestion und Atmosphäre denn simple Bluteffekte. Dabei ringen sie der Geschichte einige überraschende und vor allem schockierende Momente ab und vermeiden allzu gewöhnliche erzählerische Bahnen durch surreale Märchenmotive. Die unheimlichen Bilder Laurent Barés‘ („Frontier(s)“, „Hitman“) überzeugen dabei ebenso, wie die Darsteller, zu deren Riege in einer Mini-Rolle auch Béatrice Dalle („Night on Earth“) stößt. Heftige Gewalteinlagen bleiben sorgsam gestreut und unterstehen bis zum übertrieben rabiaten Finale der alptraumhaften Stimmung. Insgesamt aber bleibt „Livid“ bei aller Kunstfertigkeit zu inkohärent, um die partiell prägenden Eindrücke über die volle Distanz aufrecht zu erhalten.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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