.leaves – Was erzählen wir jetzt unseren Kindern? (2019, DIY)

„Meine Hoffnung nimmt mir keiner, auch wenn der letzte Vogel vom Ast fällt.“ – ‘Keinsterbenswörtchen‘

Der DIY ist eine Wundertüte. Hier findet man alles: vom poetischen Singer/Songwriter bis hin zum galligen Extrem-Metal. Geeint werden die selbstverantwortlich produzierten Werke durch den Willen ihrer Urheber, etwas Eigenes zu schaffen. Dabei steht nicht das unbedingte Streben nach Perfektionismus und Erfolg im Mittelpunkt, sondern das investierte Herzblut. Der Weg ist dabei mitunter wichtiger als das Ziel. Hauptsache machen, sich dem Drang ergeben, die Kunst frei von äußeren Vorgaben und Einflussgrößen zu bereichern. Auf welche Weise auch immer.

Der Post-Hardcore hat im Segment der Selbermacher einen festen Stand. Dafür stehen auch .LEAVES, seit 2013 aktiv und konsequent autark, wenn es um die Veröffentlichung neuer Musik geht. Ihr jüngster Streich, das acht Stücke umfassende zweite Album „Was erzählen wir jetzt unseren Kindern?“, wird wie gewohnt im Eigenvertrieb an die Zielgruppe gebracht – diesmal allerdings nicht allein digital, sondern auch als CD, Colored Vinyl und (ebenfalls kolorierte) Musikkassette. Der Grad der Entwicklung zwischen der letzten Platte „…bleibt das jetzt für immer?“ (2016) und dem Folgewerk ist vom Fleck weg spürbar: Der Sound wirkt nuancierter, vielschichtiger und überdies klarer.

Das zeigt sich auch beim wiederum zweistimmigen Geschrei. Die gewohntermaßen starken Texte über kleine und große Gefühlsregungen verschiedener Couleur sind weitgehend verständlich, werden aber immer noch mit kompromissloser Inbrunst – bisweilen leicht schrill – herausgebrüllt. Strukturell gewährt sich das Trio eine gewisse, atmosphärisch gehaltvolle Weitschweifigkeit. Die einzelnen Tracks werden in Teilen langsamer zur Entfaltung gebracht, was insbesondere beim Anfangs- und Schlussteil, respektive „Lasaan“ und „Bekenntnisse“, zu instrumental nahezu anmutig entschleunigten Passagen führen.

Als Gegenentwurf präsentiert sich eine wonnig wuchtige Nummer wie „Konzept // gescheitert“, die kurz auf Chaos stellt, bevor wieder Entlastung einkehrt. Im Übergang darf auch der Bass neuerlich seine pulverisierende Wirkung entfalten. Das schafft nachhaltige Eindrücke. Wie auch das kritische „Das letzte Hemd“, das wieder gute Gründe fürs Kollektivschreien liefert. Dass die Message stimmt, veranschaulichen auch „Fuchs & Hase“ und „Hallo Winter“. Der Titel dieser wunderbaren Scheibe mutet daher – nicht allein vor dem Hintergrund der aktuellen „Friday for Future“-Bewegung – fast schon programmatisch an. Kann es da noch Zufall sein, dass die Eingangszeile von „Sista Gången“ in der Landessprache von Nachwuchs-Aktivistin Greta Thunberg verfasst ist? Vermutlich nicht.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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