Lauf um dein Leben (I/F 1968)

runmanrunManuel Sanchez, genannt Cuchillo, kam beim Publikum an. Sergio Sollima, der große Denker des italienischen Unterhaltungskinos drehte drei Spaghetti-Western. Für die Besetzung tragender Rollen griff er stets auf Tomas Milian zurück, den er in „Der Gehetzte der Sierra Madre“ als jenen mexikanischen Underachiever Cuchillo einführte. „Von Angesicht zu Angesicht“ folgte mit „Lauf um dein Leben“ der letzte Genrebeitrag des Regisseurs. Mit ihm kam die endgültige Beförderung des zum zweiten Mal aufgefahrenen Repräsentanten der unterdrückten Masse zum unfreiwilligen Helden.

Der Film entstand in einer Zeit, als Auflehnung noch Leidenschaft bedeutete. Viele Beiträge bedienten sich der Revolte gegen das Diaz-Regime zur Veranschaulichung gegenwärtiger politischer Entwicklungen, sei es die Studentenbewegung oder der Krieg in Vietnam. Bei aller Hintergründigkeit verzichtet Sollima auf die Veranschaulichung des von willkürlicher Staatsgewalt zerfressenen Mexiko. Sie bildet nur den Rahmen, der Milian in teils an die Komik des Tramps Charlie Chaplin angelehnten Sequenzen von einem Fettnapf in den nächsten treten lässt.

So platzt Cuchillo, als er Essen aus einem Haus stibitzt, in eine Exekution und wird seinerseits zum Ziel der Regierungssoldaten. Seiner rassigen Verlobten Dolores (Chelo Alonso, „Königin der Barbaren“) verspricht er zur Aussöhnung ein Geschenk, muss dies aber erst noch stehlen. Als er später festgenommen wird, soll er all seine Messer – die klassische Waffe der verarmten Landbevölkerung – aushändigen, was ein wahres Klingenarsenal zum Vorschein bringt. Der feine Humor verleiht dem untypischen Western eine unbekümmerte Note, die der Schlitzohrigkeit der Hauptfigur nur mehr unterstreichend zur Seite steht.

Im Kerker macht Cuchillo die Bekanntschaft des politischen Gefangenen Ramirez (José Torres, „Stoßtrupp ins Jenseits“), der einen Tag vor seiner Entlassung steht und dennoch fliehen will. Der Oppositionsführer nämlich weiß um das Versteck eines beträchtlichen Vermögens in Gold, das, für die Ankurbelung der Revolution gedacht, manch gierige Visage zum Vorschein bringt. Der Zellengenosse wird zum Fluchthelfer, schließlich winkt eine stattliche Belohnung. Als Ramirez jedoch erschossen wird und Cuchillo einen Hinweis hinterlässt, wird der zum erbarmungslos Gejagten verschiedener Interessensparteien.

Sollima verweigert sich nicht nur kategorisch vor Klischees, er wahrt auch den Blick für das ungewöhnliche Moment, was sich allein in der Pferdeverfolgung im Schnee niederschlägt. Bis es am Ende aber zur Zusammenführung aller Beteiligten kommt, darunter der ehemalige US-Marshall Cassidy (Donald O´Brien, „Silbersattel“), die hübsche Heilsarmeeaktivistin Penny (Linda Veras, „Sabata“) und der egoistische Partisane Riza (Nello Pazzafini, „Das Todeslied“), muss der Revoluzzer wider Willen so einiges über sich ergehen lassen. Nicht am Gold interessiert ist derweil nur Dolores, die ihrem Liebsten ebenfalls nachstellt.

Unter dem Dach falscher Ideale und dem Verrat der Prinzipien zugunsten der eigenen Bereicherung laufen die Darsteller zu Hochform auf. Guglielmo Mancori („Rocco – Der Einzelgänger von Alamo“) ringt der kargen Landschaft manch großartigen Kameraschwenk ab, während die Musik von Bruno Nicolai („Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“) und dem ungenannten Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“) wesentlich zur dichten Atmosphäre beiträgt. So gelingt Sollima ein zeitweise verspielt elegisches, jedoch stets auf das Wesentliche fokussiertes Abenteuer. Ein herrlich hintersinniger Spaß.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

scroll to top