Mit „Shaolin Soccer“ gelang Stephen Chow nicht nur der endgültige Durchbruch als Regisseur und Schauspieler, sondern auch der erfolgreichste Hongkong-Film aller Zeiten. Selbst in die deutschen Kinos gelangte die Komödie um Fußballspielende Martial-Arts-Mönche – vom internationalen Verleiher Miramax in Sachen Handlung allerdings deutlich beschnitten – und erregte die Aufmerksamkeit eines Publikumszirkels, der über den obligatorischen Asien-Enthusiasmus eingefleischter Genre-Fans weit hinaus führte. Chows neuer Film „Kung Fu Hustle“ toppte den gigantischen Erfolg seines Vorgängers im Handstreich – und setzt in Sachen Erzählkunst und Umsetzung neue Maßstäbe für das Hongkong-Kino der Neuzeit!
Ort der Handlung und die Verlagerung des Geschehens in die 1940er lassen Erinnerungen an Jackie Chan und Sammo Hung, bzw. „Miracles“, „Project A, Part 2“ oder „Shanghai, Shanghai“ wach werden. Allerdings funktioniert „Kung Fu Hustle“ trotz zahlreicher Referenzen an Hongkongs übermütige Action-Komödien der 80er auf einer cartoonesken Ebene, die auch das humoristische Verständnis westlicher Völker bedient. Letztgenannter Hung – der neben Chan kürzlich ein Cameo in der Neuverfilmung von „In 80 Tagen um die Welt“ absolvierte – zeichnet sich in Zusammenarbeit mit Altmeister Yuen Woo Ping auch für die Choreographie der rasanten Kampfsequenzen aus. Dessen Dienste sind seit „Matrix“ und „Kill Bill“ auch in Hollywood gefragt. Hier hat Yuen Woo Ping einen witzigen Gastauftritt als Bettler.
In seiner spielerischen Zitation geht Chow weiter als die meisten Regisseure. Während sich Jackie Chan für seinen ersehnten Durchbruch im Westen an die Gepflogenheiten Hollywoods anpassen musste, lässt Chow den Westen subtil in seine Arbeit einfließen. Die Hintergrundgeschichte um Gangster und Gauner im Canton der 40er-Jahre fußt in ihrer liebevollen Erzählweise auf Leones „Es war einmal in Amerika“, der einleitende Konflikt rivalisierender Banden in der aufstrebenden Metropole scheint auf Scorseses „Gangs of New York“ zu basieren. In bester Asterix-Manier gibt es jedoch einen Stadtteil – ein Armenviertel – das dem Einfluss der Gangs erfolgreich trotzt. Das ist zum einen der Mittellosigkeit der Menschen, zum anderen ihrer Schlagkräftigkeit zuzuschreiben.
Die mächtigste Bande Cantons ist die ‚Axe Gang‘. Um deren Anführer (Kai Man Tin, „My Lucky Star”) zu beeindrucken, wollen Sing (Stephen Chow) und sein dicklicher Sidekick (Chi Chung Lam, „Beauty and the Breast“) in den Slums Schutzgeld erpressen. Das allerdings führt zu einer handfesten Auseinandersetzung mit den kämpferisch erprobten Einwohnern, die der ins Geschehen eingreifenden Gang beherzt die Stirn bieten. In der Folge werden musizierende Killer und ein inhaftierter Mörder mit Sandaletten auf das Problem angesetzt. Doch ist mit einer grimmigen Vermieterin (Yuen Qiu, 1974 Bond-Girl in „Der Mann mit dem goldenen Colt“) und deren Mann (Yuen Wah, „On the Run“) nicht zu spaßen – entpuppen sich diese doch als wahre Meister verschiedener Kampfstile.
„Kung Fu Hustle“ ist der moderne Nachfolger von Tsui Harks „Peking Opera Blues“. Stephen Chows epochaler Unfug vereint Gangster-Film mit Martial-Arts, Slapstick-Komödie mit comichafter Farce zu einer wahnwitzigen Tour de Force. Dass die mit Computerunterstützung geschaffenen Effekte stets als solche erkennbar bleiben, unterstreicht in der kalkulierten Überstilisierung lediglich die allgegenwärtige Selbstironie. Stockte „Shaolin Soccer“ – dem bei Chows erstem Auftreten ebenfalls Referenz erwiesen wird – streckenweise noch im Handlungsaufbau, erscheint der Plot beim Nachfolger trotz verschiedener Erzählperspektiven wie aus einem Guss. Dabei möchte Chow inmitten eingestreuter Tanzeinlagen und Referenzen an Bruce Lee und die Shaw Brothers manchmal zu viel, in seiner bemerkenswerten Ambition immer noch das Sahnehäuptchen auf jede einzelne Szene setzen. Dem ungeachtet führt für Freunde von Slapstick und asiatischem Einfallsreichtum kein Weg an „Kung Fu Hustle“ vorbei!
Wertung: (8 / 10)