Bereits vor fünf Jahren erlebte der Historienfilm eine Art Renaissance, als Ausnahmeregisseur Ridley Scott mit seinem „Gladiator“ längst angestaubten Hollywood-Stoff zu neuem Leben und vor allem Oscar-Ruhm verhalf. Was folgte war die übliche Handlungsfolge der Traumfabrik, deren Filmemacher nun fleißig in den Geschichtsbüchern forsteten und zwischen gehobenem Mittelmaß („Troja“) sowie schnöder Belanglosigkeit („King Arthur“, „Alexander“) keine weiteren Akzente setzen konnten. So musste erst wieder Scott selbst herhalten und die mehr oder weniger rühmliche Zeit der Kreuzzüge aufleben lassen, um einen adäquaten Nachfolger für seine qualitativ hohe Vorgabe zu präsentieren.
Statt dem harten Brocken Russell Crowe schmeißt Scott in seinem neuesten Epos den bislang eher jungenhaften und zuletzt arg gewöhnungsbedürftigen Orlando Bloom in den Ring. Der spielt den gerade von seiner Selbstmord verübten Frau verlassenen Balian, der sein Leben als Schmied in einem kleinen englischen Dorf zu Beginn des 12. Jahrhunderts fristet. Seine von ihm gegangene Frau liegt noch nicht ganz unter der Erde, da taucht der Ritter Godfrey (Liam Neeson) mitsamt einiger Gefolgsleute auf und beichtet Balian, sein Vater zu sein. Der Fremde bietet Balian einen Platz neben ihm als einflussreicher Mann an, im entfernten und von den Christen besetzten Jerusalem, welches bereits vor etwa hundert Jahren durch selbige „befreit“ wurde. Balian lehnt das Angebot zunächst ab, schließt sich der kleinen Truppe um seinen Vater jedoch kurze Zeit später an.
Auf der Reise ins gelobte Land, die Godfrey aufgrund eines kleinen Scharmützels nicht überlebt, wird Balian kurz vor seines Vaters Tod zum Ritter geschlagen und muss sich an seinem Ziel bald nicht nur mit verfeindeten Sarazenen herumschlagen. Balian wird die schwere Aufgabe zuteil, die brüchige Beziehung von Christen und Moslems aufrecht zu erhalten und unter allen Umständen den guten, aber von Lepra gezeichneten König zu unterstützen. Der Frieden wird jedoch vor allem durch den Templer Guy (Marton Csokas) gefährdet, der nicht nur arabische Karawanen angreift, sondern auch noch durch die Schwester des Königs, Sybilla (Eva Green), nach dem Thron trachtet. Tatsächlich gelingt es Guy den Sarazenenkönig Saladin (Ghassan Massoud) in einen Krieg zu führen, dessen Ende letztlich vor den Toren Jerusalems ausgefochten wird und dessen Verteidigung und Führung einzig in den Händen Balians liegt.
Einen zweiten „Gladiator“ hat Ridley Scott mit seinem „Königreich der Himmel“ vielleicht nicht geschaffen, doch überragt sein zweieinhalb Stunden langes Epos die eher schwächeren Geschichtsklone dank seiner eigenwilligen Inszenierung um Einiges. Abstriche muss man Scott und seinem Werk vielleicht bei der Story attestieren, bei der vor allem die Entwicklung des Balian alias Orlando Bloom („Fluch der Karibik“) das ein oder andere Fragezeichen aufwirft und auch Glaubwürdigkeit vermissen lässt. Doch muss andererseits auch ohne Umschweife gesagt werden, dass Bloom in den letzten Jahren keine überzeugendere Rolle abgeliefert hat als hier. In „Troja“ war er lediglich ein schwuchtelig dargestelltes Weichei, während er hier neben Gefühlen auch die nötige Durchsetzungskraft und Willen zeigt. Zwar wirkt seine recht schnelle Wandlung vom trauenden Hufschmied zum Helden Jerusalems etwas kühn erzählt, doch kann Scotts gelungene Regie und Art der Erzählung das ein oder andere Manko kaschieren.
Namhaft und im Rahmen der eingeschränkten Zeit auch weitgehend gut gespielt, liest sich zudem die Riege der Darsteller an Blooms Seite, wenn auch keinem der Raum gegönnt wird, sich groß inmitten etlicher gefochtener Schlachten zu positionieren. Liam Neeson („Rob Roy“) verlässt zeitig das Geschehen, Jeremy Irons („Der Mann in der eisernen Maske“) hat als Stadthalter Jerusalems leider zu wenig Momente, um im Film große Akzente setzen zu können, und Eva Green („Der Träumer“) verkommt zum völligen Beiwerk. Dafür darf nach „Troja“ erneut Brendan Gleeson („Gangs of New York“), wie überhaupt etliche der Darsteller, erneut zum Schwert greifen, am Schicksal seiner Figur ändert sich jedoch auch hier rein gar nichts.
Auffallend an Scotts Film ist die offene Kritik am Handeln der westlichen Welt und ohne Scham heftet er fehlgeleiteten Glauben an den Pranger. Die Bösen und Übeltäter sind hier nicht eher dunkelhäutige Ungläubige, sondern all das hier gezeigte Leid hat seine Ursache in den Kreuzzügen selbst, deren Zweck sich hier lediglich in Ruhm, Gier und Macht widerspiegelt und weniger in der ursprünglichen Sache selbst. Insofern ist Scott mit seinem Film wohl näher an der Realität, als man im Vorfeld erwarten durfte, zu viel pathetische Phrasendrescherei und falsche Ideologie darf so gottlob nicht erwartet werden.
Ohne Angriffsfläche für Kritik muss wieder einmal die inszenatorische Leistung von Ridley Scott genannt werden, der hier mit einer wahren Bilderpracht über den Zuschauer hereinbricht. Sei es nun durch eine eigenwillige Farbgebung zu Beginn des Films, rasante Kamerafahrten inmitten der zahlreichen Schlachtenszenen oder dem bewegenden Score, der auch gut aus „Gladiator“ oder „Black Hawk Down“ hätte stammen können, Scotts Bilder sorgen einfach für Staunen. Die Schlachtszenen sind ähnlich in Szene gesetzt, wie bereits der Anfang von „Gladiator“ und wilde, schnelle Schnitte wechseln mit teilweise unscharfen Einstellungen. Als Betrachter fühlt man sich also mittendrin statt nur dabei, an realistischer Härte spart Scott hier nicht. Auch in seinen Massenszenen setzt „Königreich der Himmel“ Akzente und muss sich vor der imposanten Schlacht vom Abschluß der „Herr der Ringe“-Triologie nicht verstecken, wenn ein Heer von 200.000 Mann gen Jerusalem zieht und der Beschuss aus zahlreichen Wurfgeschossen hier sogar vielleicht noch einen Tick bedrohlicher ausschaut. Innovationen in diesem Genre sind selten und so „borgt“ sich Scott mehrfach Ideen aus anderen Filmen, sei es nun sein „Gladiator“ selbst oder auch der unnötige Angriff Faramirs aus „Die Rückkehr des Königs“.
„Königreich der Himmel“ ist ein Film einzig fürs Kino und genau dort sollte man ihn auch sehen, denn in den heimischen vier Wänden würden vor allem die Schlachtszenen nicht greifen. Wobei das männliche Publikum vielleicht mehr Spaß an diesem Film haben wird, denn überraschend schmal wird hier die gefühlsmäßige Bindung zwischen Orlando Bloom und Eva Green gehalten, wenn auch das Ende in diesem Punkt nicht ganz zufrieden stimmt und ein negativeres Ende deutlich glaubhafter gewesen wäre. Opulente Schlachtszenen und eine gelungene Inszenierung machen „Königreich der Himmel“ dennoch zum besten Historien-Epos der letzten Jahre. Kleine Abstriche in der B-Note müssen hier und da aber auch in Kauf genommen werden.
Wertung: (7 / 10)