
Einfach nur Punk ist nicht mehr. Um den sozialen Widerstand kreativ aufzubereiten, ist der Blick über den Tellerrand ein Erfordernis. Welch bunter Stilmix daraus entstehen kann, haben KOCHKRAFT DURCH KMA mit ihrem 2022er-Album „Alle Kinder sind tot“ unterstrichen. Das beginnt bei „Auf jungen Stuten lernt man fluten“ mit deftigen Beats – und einer noch derberen Klatsche gegen Nationalisten mit Faible für territoriale Abschottungstendenzen. Der sporadische Einsatz von Autotune zur artifiziellen Stimmkorrektur zementiert als Stilmittel das verspielte Moment. So wie auch die Metal-Gitarre bei „Tanz mit Attitüd‘“. Oder der orientalische Gesangsabstecher (mit LEITKEGEL-Support) „Was geht los da rein“.
Von sinnbildlichen Scheuklappen ist beim Vierer aus verschiedenen NRW-Städten nichts zu spüren. Die politischen Botschaften werden mit wechselndem männlichen und (vermehrt) weiblichen (Sprech-)Gesang vorgebracht und zwischen Techno, Punk und Pop in soundtechnische Wechselbäder getaucht. Das nimmt auch mal betont anstrengende Abzweigungen (siehe die Songerweiterungen „Influencer_innen hassen diesen Skit“ und „Moonwalk Reprise“), bedient über das verhältnismäßig glatte „Influencer_innen hassen diesen Trick“ oder den treibenden Hit „Wir fahren schnellerer“ aber auch leichter ins Ohr dringende Strukturen.
Thematisch reicht die Bandbreite von toxischer Männlichkeit („Mancave“, mit stimmlicher Unterstützung durch GROßSTADTGEFLÜSTER) über System-Kollaps („Alle Kinder sind tot“, mit Vokal-Support durch SPERLING) und Rechtsdemonstrationsselbstverständnis („Was reimt sich auf Deutschlandfahne“) bis hin zum Workaholic-Bashing („Liebe = Krokodil“). Dabei erscheint für KOCHKRAFT DURCH KMA abseits der zwar ernsten, textlich jedoch gern bissig gereichten Themen musikalisch erlaubt, was den Puls nach oben treibt. Und natürlich den Spaß mehrt. Einfach nur Punk war eben gestern!
Wertung: (8 / 10)