Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen – Die Biellmann-Pirouette (2015, Broken Silence)

keine-zaehne-im-maul-aber-la-paloma-pfeifen-die-biellman-pirouettePunk darf das. Bei Platten wie „Die Biellmann-Pirouette“ sollte dies Credo nie vergessen werden. Aber das unterstreichen KEINE ZÄHNE IM MAUL ABER LA PALOMA PFEIFEN bereits über den Namen. Auf ihrem zweiten Langspieler feiern die Norddeutschen kreative Individualität auf eine Weise, die bemerkenswert weit von gängigen Formeln entfernt liegt. Die erste Auskopplung „60 Watt Sonne“ dauert glatt sechseinhalb Minuten und ergeht sich in entspanntem Indie und gemütlicher Nachdenklichkeit. Ein Hauch von KOMMANDO SONNE-NMILCH weht über die Szenerie. Oder auch Olli Schulz. Zumindest in Sachen Attitüde. Eigensinn ist Trumpf und ob die Kluft zwischen verkopft und tanzbar nun verschwindend klein oder möglichst groß angelegt ist, kümmert nicht weiter, wenn man einmal im Sog des Albums gefangen ist.

Da ist keine Überanstrengung und keine wilde Geste. Dafür Computerklänge und knarziger Gesang mit bisweilen gesprochenen Vocals. Wie beim rastlosen und zugleich seltsam liebenswerten „Akkorde ermorden“. Die Schnittstelle von Indie, New Wave und Deutsch-Punk garniert das Trio mit Textcollagen zwischen Alltagsbeobachtung und subkulturellem Rundumschlag. Wut schwingt bei den 10 herrlich unvorhersehbaren Tracks bestenfalls am Rande mit. Die Kieler gefallen sich in der Position des spöttischen Beobachters. Trotz ruhiger(er) Phasen – wie bei „Halbe Stadt von unten“ – regiert Rastlosigkeit. „Und immer noch nicht gebumst“ oder „Ich geh den Berg hoch“ wirken hektisch, dabei jedoch nie ohne roten Faden. Eine übergeordnete Idee muss sich nicht zwangsläufig auf den ersten Blick erschließen. Wer den Zugang aber einmal aufgetan hat, muss sich über die Tiefenwirkung dieses herrlich unangepassten Cocktails wahrlich nicht den Kopf zerbrechen.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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