Kaput Krauts – Vom Feeling her ein scheiß Gefühl (2025, Audiolith)

Die Evolution des (Deutsch-)Punks lässt sich an den KAPUT KRAUTS festmachen. Ihr Song „Schlachtrufe“ widmet sich den „Schlachtrufe BRD“-Samplern, die seit 1990 das rebellische Gefühl einer ganzen Generation prägen. Naja, oder eher ihren subversiv versifften Underground-Ausläufern. Das Stück ist aber nicht nur Hommage, sondern auch Kulturkritik. Da heißt es etwa: „Wenig Themen, viele Parolen“. Und genau da liegt der Unterschied zu „Vom Feeling her ein scheiß Gefühl“, dem dritten Langspieler der KAPUT KRAUTS. Denn deren Botschaften sind nicht nur deutlich komplexer, sondern auch subtiler. Allerdings bedeutet das mitnichten, dass sich ihre Texte nicht auch prima aus vollem Halse mitgrölen lassen; ein vortreffliches Beispiel ist das leidenschaftlich gegen Pickelhauben-, Stahlhelm- und Aluhutträger gekeulte „Echokammer“.

Nur trifft das eben längst nicht auf alle Nummern zu. Und die erwähnten Parolen sucht man beim Gespann aus Berlin und dem Ruhrpott sowieso seit jeher vergebens. Vielleicht macht das Knüppelduo aus „Motivationspsychologie, erstes Semester“ und „Sexualtheologie, zweites Semester“ gerade deshalb so viel Spaß – auch wegen Lyrics wie „Jesus Christus Superstar, Jesus Christus Sexsymbol, Jesus Christus Pin-Up-Boy, Jesus Christus Oi! Oi! Oi!“. In der Hauptsache laden die Texte in ihrer sinnbildlichen Weitschweifigkeit aber wieder zur näheren Beschäftigung ein. Dass dabei nicht alles negativ betrachtet wird, verdeutlicht das angesprochene „Motivationspsychologie, erstes Semester“, das dazu mahnt, bei aller Scheiße trotzdem das Weitermachen nicht zu vergessen. Also doch ein Abstecher Richtung polemische Durchhalteparolen? Eher die regelbestätigende Ausnahme. Denn zur Verlässlichkeit tragen auch die Anknüpfungen an die Vorgängerplatten bei: Das Fortsetzungsstück „Use Your Disillusion II“ und die gewohnte Einbindung von Literatur-/Kinohelden in „So einer wie Bruce Banner“.  

Wie weit die Palette der KAPUT KRAUTS auf „Von Feeling her ein scheiß Gefühl“ reicht, zeigt exemplarisch das mit Gitarre und Gesang eingeleitete „Rückhand mit Kippe“, das in der Folge Melodienreichtum, stattlichen Knüppel und auch mal gesprochene Vocals einpflegt. Die experimentelle Ader zeigt sich abermals über elektronische Einschübe. Und entdeckungswürdige Details: Das zur Textpassage passende „I’ve got the power“-Sample bei „13:21 Uhr. Scheiße verspätet“ etwa, beim dem als Gast Stevie von CLOWNS mitgrölt. Ein weiteres schönes Zitat findet sich im Eröffnungsstück „Tja…“, dessen Fahrstuhlmusikintermezzo an LAGWAGON und deren „After You My Friend“ erinnert. Und das Nebeneinander von „Bob Dylan“ und „Kaput Krauts“ in „The Nobel Prize in Literature is Awarded to“ ist neben dem SUPERNICHTS-Klassiker „Andy McDowell/Ingo Dubinski“ ein Fall für die Ahnengalerie. In der entdeckungsreichen Summe ist es das (mit verhaltenem Abstand) beste Album einer Band, die ihren Sound auf hohem Niveau beständig weiterentwickelt. Nimm das, „Schlachtrufe BRD“!

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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