Im Wandel der Zeit verändert auch der Punk sein Gesicht. Je nach Ausprägung kann er sich massentauglicher und damit kommerziell ausgerichteter präsentieren oder aber in eine eigenwillige Richtung tendieren, die ihn nicht sofort als das erkennbar macht, was er eigentlich ist. Nach ihrem letzten Album „Paula“ durfte man den KAFKAS in Anlehnung an einen zeitlosen Hardcore-Klassiker durchaus das Prädikat „The Shape of Deutsch-Punk to Come“ anheften. Mit den rüden Ursprüngen hatte das bestenfalls wenig zu tun, eher schon mit einer inspirierten und deutlich 80’s-beeinflussten Melange aus New Wave, Synthie-Pop und NDW-Freigeist. Das brachte den Fuldaern zwar erhöhte Aufmerksamkeit ein, änderte aber nichts am grundlegenden DIY-Spirit.
Ihrer Linie treu bleibt die Band auch mit „Lebenslang“. Die Sechs-Song-EP fügt sich vier Jahre nach „Paula“ nahtlos in die sporadische Veröffentlichungstaktung der selbsternannten „Münchner Freiheit des Punkrocks“ ein und macht frei von jeglichem Erwartungsdruck genau da weiter, wo 2010 der Vorhang fiel. Dafür spricht bereits der Opener „Ich tanze nackt in meinem Zimmer“, bei dem Sänger Markus etwas gewöhnungsbedürftig Sprechgesang in Falco-Manier offenbart. Dank weiblicher vokaler Begleitung und voller Orgeldröhnung wird es trotzdem ein netter Auftakt. Das folgende „Kannst du sie hören“ beseitigt rasch sämtliche Zweifel und bildet mit verspieltem Mid-Tempo-(Pop-)Punk und starkem Refrain einen (weiteren) Höhepunkt im Schaffen der KAFKAS.
Damit es nicht durchweg gefühlsbetont zugeht, deckt das Trio mit dem leicht verschrobenen Tanzflächen-Lockstoff „Nicht egal“ – neben rhythmischem Händeklatschen für Fortgeschrittene – das politische Moment ab. Doch bedeutet das mitnichten, die Osthessen würden textlich ansonsten nur an den Bauch appellieren. Denn ein zarter Hauch von Melancholie weht bei der luftigen Pop-Nummer „Für immer“ und dem balladesken Finale „Dieses kleine Herz“ mit. Musikalisch entpuppt sich auch „Lebenslang“ als Wundertüte, bei der nie vorausgesagt werden kann, was als nächstes passiert. Belegt wird dies auch durch das fast unverschämt eingängige „Nicht nach Hause“, mit dem eine EP komplettiert wird, die sämtliche Scheuklappen ablegt und den Punk endgültig zu neuen Ufern führt. Die Zeit für Veränderung ist reif. Also tun wir es den KAFKAS gleich und nutzen sie!
Wertung: (7,5 / 10)