„I shot people I like more for less.” – Ein Mann unbeirrbarer Prinzipien: Raylan Givens
Timothy Olyphant ist der würdige Nachfolger Clint Eastwoods. Wohlgemerkt der ungestümen jüngeren Version, die der verdiente Hollywood-Altstar vornehmlich in Western formte und mit zusammengekniffenem Augenpaar und stoischer Miene als grimmigen (Anti-)Helden etablierte. Dass Olyphant auch dessen Stimmlage und die durch gepresste Zahnreihen gedrückten Drohgebärden beherrscht, bewies er bereits in der hervorragenden HBO-Serie „Deadwood“. Und im Animationsabenteuer „Rango“, wo er dem Eastwood nachempfundenen Spirit of the West die Stimme lieh. Aber es ist mehr als nur die Summe aus reduzierter Mimik und leicht steifem Gang, die Olyphant zum Haudegen alter Schule macht.
Er wirkt abonniert auf Figuren, deren Körper aufgrund unterdrückter Emotionen bis zum Zerreißen unter Spannung stehen. Die Hauptrolle in der lässig-lakonischen Thriller-Reihe „Justified“, basierend auf einer Kurzgeschichte von Kultautor Elmore Leonard, ist ihm daher wie auf den Leib geschneidert. Als US-Marshal Raylan Givens erscheint er wie eine reife Modernisierung von Eastwoods Provinz-Sheriff aus „Coogan‘s Bluff“. Der Beginn zeigt ihn in Miami, wo er mit Anzug, Stiefeln und Cowboyhut wirkt wie von einem anderen Stern. Dabei stammt der toughe Bundesbeamte aus Kentucky. Genau dorthin, ins Land von Rednecks und Dixie-Mafia, wird er versetzt, als er einen Verbrecher in fingierter Notwehr erschießt.
24 Stunden gab er ihm Zeit zu verschwinden. Andernfalls würde er ihn töten. Dass dieser Marshall Givens kein Mann leerer Worte ist, zeigt bereits der Auftakt. Der Gangster wird in relativer Öffentlichkeit so lange gereizt, bis er zur Waffe greift. Der Rest ist kalkulierte Selbstjustiz. Nur stößt die sowohl den Vorgesetzten als auch den Medien bitter auf. In der alten Heimat soll Givens Dienst verrichten, bis die Sache abgekühlt ist. Die Eröffnungsfolge stellt die Weichen für den Verlauf der 13 Episoden und empfiehlt Boyd Crowder (Walton Goggins, „The Shield“), einen Jugendfreund des Marshals und Anführer einer Neonazi-Verbrecherbande, als psychotischen Widerpart. In seiner Ambivalenz ist Boyd jedoch weit mehr als nur das gespiegelte Böse.
„For I am born again in the eyes of the Lord. “ – Im Namen des Herrn unterwegs: Boyd Crowder
Dafür muss ihm Givens erst eine Kugel in die Brust jagen und ihm die Augen für die eigenwillig interpretierte Lehre Gottes öffnen. Aber nicht nur diverse Verbrecher, die abseits der übergeordneten Haupthandlung in abgeschlossenen Missionen überstellt, eingefangen oder ertappt werden wollen, halten Givens auf Trab. Immerhin lebt Ex-Frau Winona (Natalie Zea, „Dirty Sexy Money“) mit dem neuen Gatten, einem windigen Grundstücksspekulanten, in der Gegend und die reizende Ava (Joelle Carter), die ihre Ehe mit Boyds Bruder kurz zuvor mit einer Schrotladung beendete, macht ihm Avancen, denen er, sehr zum Verdruss seines schrulligen vorgesetzten Art Mullen (Nick Searcy, „Seven Days“), bald nachgibt. Stets für Querelen gut ist auch der von Raylan entfremdete Vater, der alternde Kleinkriminelle Arlo (Raymond J. Barry, „Im Jahr des Drachen“).
Der war mit Boyds Erzeuger Bo (M.C. Gainey, „Lost“) in kriminelle Machenschaften verwickelt, die der Patriarch des Crowder-Clans nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis sogleich wieder aufnimmt. In Konflikt gerät er ausgerechnet mit Boyd, der als passionierter Prediger ein Läuterungscamp im Wald errichtet hat. Zur unvermeidlichen Eskalation bei trägt aber auch Bos Paktierung mit einem Syndikat aus Miami, auf dessen Abschussliste Marshal Givens an vorderer Stelle steht. Durch die eher unspektakuläre Erzählweise läuft die Serie, unter anderem inszeniert von Jon Avnet („Grüne Tomaten“) und John Dahl („Red Rock West“), aber nie Gefahr als klischeehafter Standard-Krimi durchzugehen. Die aufblitzende Gewalt ist dabei nicht Mittel zum Zweck der Unterhaltung, sondern im Tagesgeschäft der Protagonisten beizeiten schlicht unumgänglich.
Dabei ist „Justified“ von jener ungemein sympathischen Lässigkeit erfüllt, die das Oeuvre Elmore Leonards (u.a. „Das Gesetz bin ich“, „Schnappt Shorty“, „Jackie Brown“) seit jeher prägt. Die von Western, Familiendrama und Krimi geprägten Geschichten um Marshal Givens sind von einer grundlegenden Coolness erfasst, die in ihrer retrospektiven Ader wirkt wie ein überliefertes Rudiment der Siebziger. Das vom renommierten Drehbuchautor Graham Yost („Speed“, „Broken Arrow“) entwickelte Format verbindet verschmitzten Erzähltenor mit lakonischer Charakterzeichnung und knallharter Action. Dank großartiger Darsteller und plastischer Figuren funktionieren die Geschichten stets auch in der Tiefe. Die verdiente Fortsetzung ließ da nicht lange auf sich warten. Fans des alten und neuen Clint Eastwood wird es freuen.
Wertung: (8,5 / 10)