Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. „Jena Paradies“ ist ein Film, in dem eine Fußballweisheit die Welt erklären kann. Und wenn nicht die Welt, dann zumindest den Alltag im thüringischen Mikrokosmos. Das Leben ist bestimmt von kleinen und großen Rückschlägen. Die Kunst ist, sich von etwaigen Widrigkeiten nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Im Falle von Jeanette (Stefanie Stappenbeck, „Deutschlandspiel“), alleinerziehende Mutter des zehnjährigen Louis (Luca de Michieli), ist das leichter gesagt als getan. Zum Rest ihrer Familie hält sie Distanz, was im Sohn das Verlangen nach großmütterlicher Zuneigung nährt.
Das Debüt von Regisseur und Co-Autor Marco Mittelstaedt ist ein Film über Sehnsüchte. Der Zuschauer begleitet die Protagonisten auf ihrer Suche nach Geborgenheit. Jeanettes Kleinfamilie ist der Mittelpunkt, von dem aus der Blick ins weitere Umfeld schweift. In Harry (Bruno F. Apitz, „Kanzleramt“), dem Platzwart des örtlichen Fußballvereins, findet Louis eine männliche Identifikationsfigur. Doch ist diese im Sportclub mehr geduldet als respektiert. Der Künstler Philipp (Hans-Jochen Wagner, „Sie haben Knut“) weckt in Jeanette Träume einer gemeinsamen Zukunft, die sich aufgrund seiner familiären Verhältnisse aber kaum verwirklichen lassen.
Die nüchterne Distanz, die aufgrund überzeugender Darsteller aber emotionale Nähe zulässt, macht „Jena Paradies“ zur glaubhaften Bestandsaufnahme menschlicher Normalität. Die Figuren scheinen direkt aus dem Leben gegriffen, deren Entwicklung bis zum Ende dicht an der Realität. Es endet nicht gut oder schlecht, kommt ohne großen dramatischen Knalleffekt aus, es endet einfach. Der Film ist ein Auszug, eine ähnliche Geschichte hätte er auch im Ruhrpott oder in Bayern erzählen können. Allerdings hätte die Stadt Jena dort nicht als zusätzlicher, in sehnsüchtige Bilder getauchter Nebendarsteller in Erscheinung treten können. Was bleibt ist die Hoffnung. Sie ist es, die erhobenen Hauptes in die Zukunft blicken lässt.
Wertung: (7 / 10)