Japanische Kampfhörspiele – Neues aus dem Halluzinogenozinozän (2021, Bastardized Recordings)

„Lass deinen Müll auf dem Festivalgelände liegen, als Mahnmal zum Gedenken an die Opfer von irgendwas. / Unterhalb der Schwelle kritischen Denkens, fühlt man den Bass voll krass. / Setze ein Zeichen für die Beendigung von Postkolonialismusdebatten. / Postkolonialismusdebatten haben wir satt. / Wir wollen Endgeräte mit seltenen Erden aus der Dritten Welt verwenden, wo man froh ist, dass man jetzt Schule hat!“ – ‘Lass deinen Müll auf dem Festivalgelände liegen‘

Früher war mehr Grindcore. Von dessen (schadhaftem?) Einfluss haben sich JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE weitgehend befreit. Dafür kam über die Jahre eine beeindruckende Fülle anderer Einflussfaktoren hinzu. Ein weiterer Gipfel dieser Entwicklung ist „Neues aus dem Halluzinogenozinozän“. Von welchem Baum die Band auch immer geraucht haben mag, als es an die Konzeption der jüngsten Platte ging – es war zweifelsfrei der richtige.

Dabei überspannen Kreativkopf Christof Kather und Spießgesellen den Bogen bisweilen. Fraglos kalkuliert. Das veranschaulicht zum Einstieg gleich das an den Nerven zerrende „Mantra“, bei dem „Sehr gut“ und „Leergut“ dichter verzahnt sind als an jedem Eck-Kiosk. Der erste Knüppel folgt mit „Der Schweinetransport“, dessen Gitarreneinsatz gleichsam ein Mehr an metallischer Melodik und Verzerrung bereithält. Ganz zu schweigen vom Sprechgesangs-Part. Und den elektronischen Einschüben.

Die nehmen streckenweise eine prägnantere Rolle ein, ohne dass JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE vom inspiriert horizonterweiterten Death-Metal zwingend abrücken würden. Dafür stehen auch „Familie fährt mit Auto“ oder „Deutsches Handwerk“. Dennoch weht ein beständiger Hauch experimenteller Energie über „Neues aus dem Halluzinogenozinozän“. Das unterstreichen klar gesungene Vocals inklusive weiblicher (Sprach-)Stimmzugabe, instrumentale Extravaganzen wie das funkig-spacige „Madal 1“ oder das von Dissonanzen und Computerstimme geprägte „Erregte Männer auf der Venus“.

Dazwischen wird es mal punkig, mal rockig und  bleibt doch auf das Extrem als künstlerische Maxime ausgerichtet. Dem folgen auch die gewohnt bissigen Texte, bei denen Lachen und Weinen erschreckend nah beieinander liegen. Und allein weil sie es können, beschließen die fünf Spötter der modernen Welt dies höllisch abgefahrene Album mit drei kurz gehaltenen Instrumental-Tracks (einschließlich „Madal“-Fortsetzung). Die Grenzen sind fließend, der Erlebnishorizont breiter als jedes Urlaubspanorama. Da zählt man sich doch gern zu den im Booklet dankend erwähnten „ca. 100 Fans und Followern weltweit“.      

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)     

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