„James Bond. You appear with the inevitability of an unloved season.“ – Mit Poesie zur „All“-Macht: Drax
Abgehoben waren die James Bond-Filme ja schon immer. Aber was Produzent Albert R. Broccoli mit „Moonraker“, dem elften Part der Serie, auf den Weg brachte, stellte in der comichaften Übertreibung sämtliche bis dahin präsentierten Realitätsnegierungen in den Schatten. Ursprünglich sollte „Der Spion, der mich liebte“, so wurde es auch im Abspann verkündet, „In tödlicher Mission“ folgen. Doch der sensationelle Erfolg von „Star Wars“ und das plötzlich gewaltige Publikumsverlangen nach Abenteuern im Weltraum ließ Broccoli von der eigentlichen Planung abweichen. Der kommerzielle Erfolg, der weltweit rund 200 Millionen US-Dollar in die Kassen spülte, sollte ihm Recht geben.
Dennoch ist die vage Verfilmung von Ian Flemings 1955 veröffentlichtem drittem Bond-Roman ein zweischneidiges Schwert. Großem Aufwand, bemühten Schauwerten und humoristischer Beigabe im Slapstick-Stil stehen ein blasser Bösewicht, maßlos überzogene Actionszenarien und nicht zuletzt die einfallslose Story gegenüber. Grundlegend nämlich erzählt Regisseur Lewis Gilbert („Der Spion, der mich liebte“) die Geschichte des Vorgängers mit veränderten Vorzeichen einfach neu. Das ist der wahnsinnige Superschurke, der die Menschheit vernichten und eine neue Rasse nach eigener Maßgabe etablieren will. Nur sollen diesmal nicht die Weiten des Meeres als neuer Lebensraum der Übermenschen dienen, sondern die Unendlichkeit des Alls.
Statt der Atom-U-Boote wird nun ein Spaceshuttle (mit Namen Moonraker) entführt. Hintermann ist der in Kalifornien residierende Multimilliardär Drax (Michael Lonsdale, „Der Schakal“), dessen Unternehmen die Konstruktion des Shuttles selbst besorgt hatte. Der Wahnsinnige mit Gottkomplex will mit einem chemischen Kampfstoff vom Weltraum aus die Erde entvölkern. Bis 007 alle Teile des Puzzles zusammengesetzt hat, führen ihn die Spuren von Amerika nach Venedig, Rio de Janeiro und schlussendlich natürlich ins All. In die Quere kommt ihm dabei wiederholt Jaws (Richard Kiel, „Mad Mission 3“), der Beißer mit den Metallkiefern, der ihm bereits in „Der Spion, der mich liebte“ zugesetzt hatte.
Mit ihm balgt sich Bond durch den Karneval in Rio und die Seilbahn am Zuckerhut, ehe der tumbe Riese sein Herz an die weitaus kleinere Dolly (Blanche Ravalec) verliert. Behilflich ist dem britischen Superagenten hingegen die bei Drax eingeschleuste CIA-Agentin Holly Goodhead (Lois Chiles, „Dallas“), deren Ausbildung zur Astronautin vor allem im reichlich überzogenen Finale von Nutzen ist. Neben ihr turnt Bond aber auch mit Drax‘ Pilotin Corinne (Corinne Cléry, „Die Geschichte der O“) durch die Federn, um an relevante Informationen zu gelangen. Dass sie anschließend von den reißenden Hunden ihres Chefs zu Tode gehetzt wird, lässt 007 unterschwellig als den manipulativen Scheißkerl erscheinen, den Roger Moore durch seine kalauernde Charmeoffensive so vehement auszublenden versuchte.
Fraglos weiß „Moonraker“ zu unterhalten. Das von Shirley Bassey (sie sang bereits den unvergessenen Titelsong zu „Goldfinger“) wunderbar gesungene Titelstück legt mit den spektakulären Eingangssequenzen den Grundstein für ein aufwändiges und musikalisch anspielungsreiches (Referenz erwiesen wird unter anderem „2001: Odyssee im Weltraum“ und „Die glorreichen Sieben“) Agenten-Abenteuer. Spätestens mit dem Flug zu Drax‘ Raumstation verliert der Film aber buchstäblich jegliche Bodenhaftung und gipfelt in infantile Lasergefechte im freien Raum. Zumindest Roger Moore ist aber wieder ganz in seinem Element und treibt, wie allein sein Zweikampf mit Drax‘ kampfkunsterfahrenem Handlanger Chang (Toshiro Suga) im Glasmuseum zeigt, die ironische Komponente nachhaltig auf die Spitze. Die aufkeimende Beliebigkeit kann der Film damit jedoch nicht vollends aufwiegen.
Wertung: (6,5 / 10)