Italienisch für Anfänger (DK 2000)

italienischfueranfaenger„Dogma 95″ bezeichnet ein Kollektiv dänischer Regisseure, seinerzeit von Lars von Trier („Dancer in the Dark“) und Thomas Vinterberg („Das Fest“) initiiert, um bestimmten tendenziellen Entwicklungen der Filmindustrie entgegenzuwirken. So folgen die sich dem „Schwur der Keuschheit“ unterwerfenden Regisseure einer Liste strenger Vorgaben, u. a. der reinen Verwendung von Handkameras, dem Verzicht auf Effekte, Masken und künstlichem Licht sowie der Naturbelassenheit der ausgewählten Drehorte ohne Verfälschung durch jedwede Requisiten. Darüber hinaus findet der Name des jeweiligen Filmemachers weder in den Titeln noch im Abspann Erwähnung. Sinn und Zweck der international hoch geschätzten Doktrin ist es, das Kino an seinen Ursprung zurückzuführen und die Handlung durch die eingesetzten Akteure zu rechtfertigen. Genrefilme sind dabei Tabu, vielmehr regiert das experimentelle Element.

Dabei herausgekommen sind so unterschiedliche Werke wie „Idioten“, „Mifune“ oder oben erwähnte Erfolgsfilme „Dancer in the Dark“ und „Das Fest“. „Dogma 95″ bedeutet Art-Core der härtesten Gangart und ist meist nur geeignet für Cineasten und Zuschauer, die sich hauptsächlich abseits der amerikanischen Mainstream-Standards bewegen. Neuestes Resultat der unabhängigen Stilrichtung ist „Italienisch für Anfänger“, der dritte Spielfilm der dänischen Regisseurin Lone Scherfig. In diesem geht es um sechs einsame Seelen, die ihre ganz eigenen Erfahrungen mit menschlichen Verlusten gesammelt haben und sich der stetigen Angst des Alleinseins ausgesetzt sehen. Ein wöchentlich stattfindender Italienischkurs sorgt für die nötige Abwechslung im tristen Leben der Kleinstädter, die ihrerseits darin eine Chance wahrnehmen, sich anderen Menschen zu nähern. Doch keiner der liebenswerten Außenseiter wagt den ersten Schritt.

Sicherlich sind die unter der Vorgabe von „Dogma 95″ entstandenen Filme formal gewöhnungsbedürftig und erschließen sich dem Betrachter nicht augenblicklich. Hat man sich aber erst einmal auf verwackelte Bilder und eigenwillige Schnitte eingelassen, so öffnet sich einem das Kino von einer Seite selten erlebter Intensität und Aufrichtigkeit. Dass in diesem Falle lakonischer Humor und immer identifikationsfähige Charaktere dazu gehören, ist neben der stilechten Inszenierung Scherfings („Wenn Mama nach Hause kommt“) vor allem den oft improvisierten schauspielerischen Glanzleistungen der überwiegend in Dänemark namhaften Akteure zuzuschreiben, die mit ihrem unaufdringlichen Spiel ein Höchstmaß an Realismus schaffen. „Italienisch für Anfänger“ ist weit weniger sperrig als andere „Dogma“-Beiträge, steht den übrigen Werken unter der ambitionierten Prämisse jedoch in nichts nach. So tritt der auf der Berlinale 2001 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnete Film den erneuten Beweis für die Innovation und die Schaffenskraft des skandivanischen Kinos an. Eine Leistung, vor der man nur den Hut ziehen kann.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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